Schäuble: Es gibt keine Kompetenzstreitigkeiten
Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble (CDU) hat den Vorwurf zurückgewiesen, Kompetenzstreitigkeiten innerhalb der Bundesregierung hätten dazu geführt, dass die geplante Befreiung des Frachters Hansa Stavanger nicht zu einem Erfolg geworden ist. In einer von Bündnis 90/Die Grünen beantragten Aktuellen Stunde sagte Schäuble am Mittwoch, dem 13. Mai 2009, im Bundestag, es habe „zu keinem Zeitpunkt“ eine Meinungsverschiedenheit oder ein Kompetenzgerangel zwischen Ministern gegeben.
„Kompetenzstreit der Bundesregierung bei der Sicherung des
Schiffsverkehrs vor Somalia“, so hatten die Grünen die
Debatte überschrieben. Ende April hatte die Bundesregierung
eine geplante Aktion zur Befreiung des am 4. April vor der
somalischen Küste entführten Containerfrachtschiffs durch
eine GSG-9-Einsatzeinheit der dem Bundesinnenministerium
unterstehenden Bundespolizei abgeblasen. Man sei zu der Beurteilung
gelangt, dass das Risiko eines GSG-9-Einsatzes nicht vertretbar
gewesen sei.
„GSG 9 braucht stabile Basis“
Die Spezialeinheit GSG 9 ist nach den Worten des Ministers „die am besten ausgerüstete Einheit der Welt, um ein Schiff zu befreien, aber sie braucht eine stabile Basis, um von der See aus operieren zu können.“ Die Bundeswehr habe keinen Hubschrauberträger. Schäuble nannte Kaperungen und Geiselnahmen „menschenunwürdige Verbrechen“, denen ein Ende gemacht werden müsse.
Froh, dass der Befreiungsversuch abgebrochen wurde, zeigte sich
auch Jürgen Trittin (Bündnis 90/Die Grünen).
Allerdings habe sich die Bundesregierung schwer blamiert.
„Sie wollten international in der ersten Liga spielen, das
ging schwer daneben“, sagte Trittin. Wenn Bundeskanzlerin
Angela Merkel das Grundgesetz ändern wolle, dass sei dies ein
Ablenkungsversuch. Es gebe kein verfassungsrechtliches Problem, das
diesen Einsatz verhindert hätte. Der Versuch sei gescheitert,
„weil es nicht ging“, das Risiko sei zu hoch
gewesen.
„Nicht aus der Verantwortung gestohlen“
Hans-Peter Uhl (CDU/CSU) lobte Bundeswehr und Bundespolizei. Dort seien Menschen bereit gewesen, das eigene Leben zu opfern, um andere Leben zu retten. Sie seien zum Einsatz bereit gewesen. Dann sei jedoch am Ende eines Abwägungsprozesses die politische Entscheidung aus Berlin gekommen, den Einsatz wegen des Risikos nicht zu wagen.
Der Minister habe sich nicht aus der Verantwortung gestohlen, so
Uhl zu Trittin, sondern sei bereit gewesen, die Verantwortung voll
zu übernehmen. Die derzeitige Situation sei nicht geeignet,
die Piraterie zu bekämpfen, sagte der Unionspolitiker:
„Wir müssen handlungsfähig sein.“
„Exzellent ausgebildet und einsatzwillig“
Birgit Homburger (FDP) sagte: „Wer die Bundeswehr mit eine, klaren Auftrag in einen Einsatz schickt, muss ihr die notwendigen Fähigkeiten dafür mitgeben. Das war erkennbar nicht der Fall.“ Sowohl die GSG 9 der Bundespolizei als auch das Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr seien exzellent ausgebildet und einsatzwillig.
Die Bundesregierung rief Homburger auf, mit ihrem
„Ablenkungsmanöver“ aufzuhören und ihrer
Verantwortung gerecht zu werden. Wenn es einen militärischen
Einsatz gebe, müssten die Fähigkeiten vor Ort sein, weil
schnelles Handeln mehr Erfolgsaussichten hat. „Wir
würden optimale Bedingungen herstellen“, so
Homburger.
„Überflüssige Grundgesetzänderung“
Michael Hartmann (SPD) zollte allen Respekt, die sich „der Schwere dieser Entscheidung bewusst waren“. Es sei klug gewesen, die Geiseln nicht der Todesgefahr auszusetzen und so zu entscheiden. „Wir können nicht als Deutscher Bundestag die Polizeiführer vor Ort ersetzen“. Als Konsequenz müsse man mit dem Bundesinnenministerium und dem Bundesverteidigungsministerium nachdenken, wie die Mannschaft optimal ausgestattet werden kann.
„Wir brauchen nicht ein erneutes Diskutieren über eine
überflüssige Grundgesetzänderung“, betonte
Hartmann. „Wir brauchen eine Debatte über eine optimale
Aufstellung der Bundeswehr. Wenn wir solche Debatten führen,
sollen sie auch in die Bundeswehr hineinwirken.“
„Piratenbekämpfung nur ein Vorwand“
Prof. Dr. Norman Paech (Die Linke) wies darauf hin, dass die Piraten ihre Angriffe um 20 Prozent gesteigert hätten, seit Kriegsschiffe am Horn von Afrika patrouillierten. Schäuble und die CDU wollten die Trennung von Polizei und Militär aufheben, um sie bei einem Bundeswehrmandat nach Belieben einsetzen zu können. „Das werden wir nicht mitmachen“, sagte Paech.
Die Piratenbekämpfung sei dabei nur ein Vorwand. Sie werde
auch missbraucht, um den Einsatz der Bundeswehr zum Schutz
strategischer Seetransporte zu legitimieren.