Bundestag stimmt für Schuldenbremse im Grundgesetz
.Mit einer Zwei-Drittelmehrheit hat der Bundestag am Freitag, 29. Mai 2009, den Weg für eine Grundgesetzänderung und eine Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern freigemacht. In namentlicher Abstimmung votierten die Abgeordneten von CDU/CSU und SPD für die Aufnahme einer so genannten Schuldenbremse ins Grundgesetz. Bund und Länder sollen ab 2020 grundsätzlich keine neuen Kredite aufnehmen dürfen. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) sagte in der Debatte: „Wer auch zukünftig einen handlungsfähigen Staat will, muss die Schulden- und Zinslast reduzieren.“ Eine Schuldenbremse behindere keine Investitionen und schränke auch nicht den Gestaltungsspielraum von Politik ein, entgegnete Steinbrück den Kritikern. Grüne und Linksfraktion stimmten gegen das Gesetzesvorhaben, die FDP enthielt sich.
Ergebnis der namentlichen Abstimmung
Nach rund zweijähriger Arbeit hatte die von SPD-Fraktionschef
Peter Struck und dem baden-württembergischen
Ministerpräsidenten Günther Oettinger (CDU) geleitete
Föderalismuskommission im März ihre Vorschläge
für eine Neuregelung der Finanzbeziehungen von Bund und
Ländern vorgelegt. Zentraler Punkt ist die Einführung
einer Schuldenbremse ab dem Jahr 2011, die sich am
Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt orientiert.
Während bei den Ländern ein absolutes
Neuverschuldungsverbot angestrebt wird, bleibt dem Bund ein
gewisser Spielraum: Ab 2016 darf die Neuverschuldung maximal 0,35
Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) jährlich betragen.
Das wären derzeit 8,5 Milliarden Euro jährlich.
Für die Änderung des Grundgesetzes (
16/12410) stimmten 418 Abgeordnete. 109
Parlamentarier votierten mit Nein. Es gab 48 Enthaltungen. Von 612
Abgeordneten beteiligten sich 575 an der Abstimmung. Für eine
Zwei-Drittel-Mehrheit war die Zustimmung von mindestens 408
Abgeordneten notwendig. Darüber hinaus nahm der Bundestag den
Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD für ein Begleitgesetz zur
Föderalismusreform (
16/12400) an. Zu beiden Gesetzentwürfen
lagen Beschlussempfehlungen des Rechtsausschusses vor (
16/13221,
16/13222).
Struck: Handlungsfähigkeit des Staates wird gestärkt
Steinbrück appellierte auch an die Kritiker in den eigenen Reihen, der Föderalismusreform II zuzustimmen. Die Verankerung einer Schuldenbremse sei eine Entscheidung von „historischer Tragweite“, sagte der SPD-Politiker. Damit werde die Handlungsfähigkeit des Staates gesichert und nicht eingeschränkt. Es sei ein Missverständnis, dass die Länder entmachtet würden. Es werde weder das Budgetrecht der Länder abgeschafft noch die Finanzhoheit aufgehoben. „Wir sind in einem Schraubstock der Verschuldung“, betonte Steinbrück.
Struck sagte: „Es ist absurd anzunehmen, diese Schuldenbremse
würde den Staat knebeln.“ Er wandte sich gegen
Befürchtungen, dass der Bund gezwungen sein werde,
Sozialleistungen zu kürzen. Besondere Notsituationen
könnten auch mit der Grundgesetzänderung
berücksichtigt werden.
Linke sieht Große Koalition auf dem „Irrweg“
Scharfe Kritik kam von der Linksfraktion. Sie sprach von einem Irrweg. „Wir können doch nicht den Ländern in die Taschen greifen“, sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Bodo Ramelow. Die Große Koalition mache die Länder zu Bittstellern. Vielmehr sei eine gerechte Steuererhebung und die Einführung einer Vermögensteuer der richtige Weg, um den Staat auch in Zukunft handlungsfähig zu machen.
Auch der Grünen-Fraktionsvorsitzende Fritz Kuhn meldete Kritik
an. „Wir wollen eine vernünftige Schuldenbremse“,
sagte er. Aber die Beschränkungen bei den Ländern seien
nicht realitätstauglich. Die Gemeinden seien die eindeutigen
Verlierer dieser Reform: „Das hätte man vermeiden
können.“
Kuhn: Kleinkarierter Kompromiss
Kuhn kritisierte außerdem, dass das Thema Bildung als gesamtstaatliche Aufgabe nicht angegangen worden sei. Auch Fragen des Länderfinanzausgleichs und der Notwendigkeit einer Neugliederung der Bundesländer seien ausgespart worden. Insgesamt sei deshalb ein „kleinkarierter Kompromiss, aber keine große Lösung“ gefunden worden, monierte Kuhn.
Die FDP-Fraktion hatte sich wenige Tage vor der Abstimmung auf
Enthaltung zu den Gesetzesvorhaben verständigt. Obwohl die
Liberalen inhaltlich hinter dem Schuldenverbot stünden,
wollten sie sich nicht zu „nützlichen Idioten“
machen, hatte Partei- und Fraktionschef Guido Westerwelle dies
begründet.
Wissing: FDP für Finanzautonomie der Länder
Die FDP kämpfe für eine effektive Schuldenbegrenzung und für Finanzautonomie der Länder, machte der Finanzexperte Volker Wissing im Bundestag klar. Deshalb sei die FDP nicht bereit, der Großen Koalition den „wackligen Weg“ in den Bundesrat zu ebnen. Ernst Burgbacher kritisierte, dass die SPD vom gemeinsamen Kompromiss eines Null-Verschuldungsverbotes wieder abgerückt sei.
Widerstand gegen das absolute Neuverschuldungsverbot hatte es auch
unter den Parteilinken in der SPD-Fraktion gegeben. Sie erhielten
Unterstützung von 64 Hochschulprofessoren, die in einem
gemeinsamen Appell die Regierung aufgefordert hatten, die
Schuldenbremse zu stoppen. Diese gefährde „die
gesamtwirtschaftliche Stabilität und die Zukunft unserer
Kinder“, hieß es in dem Papier. Zu den Unterzeichnern
gehört auch der Wirtschaftsweise Peter Bofinger.