Ja zur Kohlendioxid-Abtrennung unter Vorbehalten
Berlin: (hib/KOS) Die Abtrennung von Kohlendioxid aus der Abluft von Kohlekraftwerken und die unterirdische Lagerung dieses Gases können im Rahmen einer Gesamtstrategie zur Bekämpfung der Erderwärmung als Übergangstechnologie einen signifikanten Beitrag zur Verminderung des Ausstoßes an klimaschädlichen Treibhausgasen leisten. Diese Überzeugung vertraten die Sachverständigen am Mittwoch bei einer Anhörung des Umweltausschusses. Allerdings wiesen die meisten Experten auf zahlreiche offene Fragen wie etwa die Sicherheit unterirdischer Speicher über Jahrzehnte und Jahrhunderte oder auf diverse Rechtsprobleme hin, etwa die Verantwortung für die langfristige Überwachung solcher Lagerstätten. Auch stehe diese in der Praxis noch zu erforschende Technologie für eine kommerzielle Nutzung in großem Stil erst von 2020 an zur Verfügung.
Laut Ingolf Arnold vom Energiekonzern Vattenfall, der 2008 in der Lausitz eine Pilotanlage zur Abspaltung von Kohlendioxid in Betrieb nehmen will, sind die Techniken dieser Gasabscheidung in Kraftwerken inzwischen bekannt, während die wirtschaftliche Machbarkeit noch unter Beweis gestellt werden müsse. Vorhanden sei zudem das Knowhow für den Umgang mit unterirdischen Erdgaslagern, die nach der Ausbeutung zur Speicherung von Kohlendioxid in Frage kämen. Vor diesem Hintergrund zeigte sich Arnold "optimistisch", dass man die Technik der Kohlendioxidabtrennung umsetzen könne. Aus Sicht Ottmar Edenkofers vom Potsdam-Institut für Klimaforschung sind in Deutschland zur Erprobung dieser Technologie mindestens zehn Forschungsprojekte nötig. Nach Angaben von Johannes Peter Gerling (Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe) stehen in der Bundesrepublik Speicherkapazitäten von mehreren Milliarden Tonnen in Erdgasfeldern oder in salinem Untergrund vor allem in der norddeutschen Tiefebene zur Verfügung. Man könne über mehrere Jahrzehnte Kohlendioxid in der Größenordnung von bis zu 100 Millionen Tonnen jährlich speichern. Die Erdgasfelder, die teils noch in Betrieb sind, seien als sicher einzustufen, da in diesen tiefen Schichten das Gas über sehr lange Zeiträume nicht in die Atmosphäre ausgetreten sei.
Harry Lehmann vom Umweltbundesamt betonte, dass der Schwerpunkt bei der Bekämpfung der Klimakatastrophe auf der Förderung erneuerbarer Energien, bei mehr Energieeffizienz und beim Sparen liegen müsse. Angesichts der Dramatik des Klimaproblems dürfe man jedoch auf kein Gegenmittel verzichten, weswegen für einen begrenzten Zeitraum auch Techniken wie die Kohlendioxidabscheidung sinnvoll seien. Es müsse jedoch gewährleistet werden, dass über einen Zeitraum von 1000 Jahren höchstens zehn Prozent des gespeicherten Gases nach außen dringen. Haftungsrisiken seien bislang nicht geklärt. Edenkofer, der die Kohlendioxidabspaltung allein schon wegen des auf lange Sicht weltweit bedeutsam bleibenden Einsatzes der Kohle als Energieträger befürwortete, plädierte dafür, die für eine Lagerung des Treibhausgases verantwortlichen Unternehmen von vornherein zur Hinterlegung finanzieller Sicherheiten für eventuelle Schadensfälle zu verpflichten. Felix Matthes vom Öko-Institut bezeichnete eine öffentliche Trägerschaft für den Speicherbetrieb als überlegenswerte Variante.
Lehmann und Matthes wandten sich strikt gegen eine Versenkung von Kohlendioxid in tiefe Meeresschichten, was zu unabsehbaren Schäden für das Öko-System des Meeres führen könne. Matthes hob hervor, dass man bislang nicht wisse, ob der kommerzielle großtechnische Einsatz der Kohlendioxidabscheidung in Kraftwerken und die Speicherung tatsächlich gelingen werden. Prinzipiell vermöge diese Technik aber nach 2020 einen großen Beitrag zur Reduzierung des Ausstoßes von Klimagasen in die Atmosphäre zu leisten. Matthes kalkuliert für Deutschland mit 25 Millionen und für die EU mit 100 Millionen Tonnen Kohlendioxid pro Jahr, deren Abgabe in die Atmosphäre auf diese Weise vermieden werden könne.
Auf finanziell problematische Aspekte der Kohlendioxidabspaltung machte Gabriela von Goerne aufmerksam. Nach den Berechnungen der Greenpeace-Vertreterin werden sich die Produktionskosten für Strom beim Einsatz dieser Technik verdoppeln. Elektrizität aus Kohlekraftwerken wäre dann etwa so teuer wie Strom aus erneuerbaren Energien. Deshalb sei zu fragen, so Goerne, ob man wirklich in diese Technologie investieren wolle oder stattdessen nicht lieber mehr Geld in regenerative Energien stecken solle.
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