Immer deutlicher ist die Änderung des Klimas hierzulande zu erkennen. Die Temperatur steigt, Pflanzen und Tiere passen sich an. In Süddeutschland mehren sich starke Gewitter. In Zukunft könnte es im Sommer aber auch häufiger zu Dürreperioden kommen. All das dürfte die Wirtschaft beeinflussen. An der Küste muss man sich mittelfristig Gedanken über die Deichhöhe machen.
Der Wandel zeigt sich vor allem in Flora und Fauna. „Viele Pflanzen blühen heute einen Monat früher als vor Hundert Jahren”, sagt Michael Kunz, Meteorologe des Süddeutschen Klimabüros am Karlsruher Institut für Technologie. „Das lässt sich zum Beispiel an Obstbäumen wie der Kirsche beobachten.” Einige Obstbauern experimentieren bereits mit der Apfelsorte Pink Lady, die bislang vorrangig in Frankreich und Italien angebaut wurde. Auch andere Baumarten werden vom Wandel erfasst. „Viele Laubbäume wie die Rosskastanie treiben bei uns im Süden ihre Blätter heute einen Monat früher aus”, sagt Kunz. Ebenso habe sich der Lege- und Brutbeginn vieler Vogelarten um einige Tage bis Wochen nach vorn verlagert.
In den nüchternen Zahlen der Meteorologie drückt sich der Wandel so aus: Die Lufttemperatur in Deutschland kletterte im 20. Jahrhundert um durchschnittlich ein Grad Celsius. Auch die Niederschläge veränderten sich: Im Schnitt regnet es heute in allen Jahreszeiten mehr als früher – außer im Sommer. Der wurde vor allem in den östlichen Bundesländern etwas trockener. Und im Winter fiel immer öfter Regen als Schnee. Die Winterstürme an der Nord- und Ostsee zeigten in den letzten Jahrzehnten bloß ein Auf und Ab, ein Trend konnte nicht festgestellt werden.
Anders sieht es beim Hagelschlag aus, der im Sommer oft den Südwesten Deutschlands heimsucht. „Schwere Gewitter mit Hagel wurden in den letzten fünfzig Jahren in Süddeutschland immer häufiger”, sagt Kunz. Auch die Schadenssumme sei gewachsen. Der Wandel ist so zu erklären, dass sich im warmen Sommerhalbjahr heute öfter starke Regen- und Gewitterschauer bilden als früher. Die Gesamtmenge des Regens hat nicht zugenommen, wohl aber die Häufigkeit der intensiven Wetterereignisse.
Verglichen mit der globalen Entwicklung des Klimas fällt der Wandel hierzulande bisher durchschnittlich aus. Wie genau sich die künftige weltweite Erwärmung auf Deutschland auswirkt, lässt sich derzeit nur schwer sagen – dazu mangelt es den Simulationsprogrammen noch an Genauigkeit. Darum ist es günstig, den Blickwinkel etwas zu weiten – auf Europa. Die Projektion des UN Klimarats IPCC für den Kontinent sieht ungefähr so aus: Im Norden wird es feuchter, im Süden erheblich trockener. „Die Trennlinie der beiden Bereiche geht ungefähr durch Deutschland hindurch”, sagt der Klimabüro-Experte Kunz. Darum sei es noch ziemlich offen, wie sich der Regen in Zukunft regional übers Land verteilen wird.
Einige Szenarien deuten darauf hin, dass es im Sommer häufiger zu Dürreperioden kommen könnte. Das sind keine guten Aussichten für Kraftwerke und Industrie, die auf Kühlwasser angewiesen sind. Ohnehin dürften die großen Flüsse in Zukunft im Sommer weniger Wasser führen, weil in den Alpen dann immer weniger Schnee liegt, der tauen könnte, und weil die Gletscher derzeit in rasantem Tempo schrumpfen. Viele Eiszungen werden in den nächsten Jahrzehnten möglicherweise komplett verschwinden.
Die künftige Klimaentwicklung in Deutschland ist im Detail allerdings noch unbekannt – bis auf die Vorhersage, dass es wärmer wird und einzelne Niederschlagsereignisse heftiger ausfallen. Dennoch haben Wirtschaftswissenschaftler schon einmal versucht, die ökonomischen Folgen durchzurechnen. Fachleute vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin mutmaßen, dass Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz, Thüringen, Bremen und Brandenburg gemessen an ihrer Wirtschaftskraft besonders hart vom Klimawandel getroffen werden. Die Ökonomen erwarten zum Beispiel größere Schäden durch Unwetter in der Forst- und Landwirtschaft.
Mit der Erwärmung sind auch gesundheitliche Sorgen verbunden. So wird vermutet, dass sich einige Krankheiten nach Norden ausbreiten könnten, erzählt Kunz – etwa die Leishmaniose. Diese Infektionskrankheit geht mit Hautgeschwüren einher und wird durch die Sandmücke übertragen. Bisher ist die Leishmaniose vor allem in den Tropen anzutreffen, aber auch im Mittelmeerraum. Ob sich die Krankheit durch wärmebedingt vermehrtes Auftreten der Sandmücke häufen wird, ist umstritten. Einige Wissenschaftler sind darüber hinaus der Ansicht, dass sich wegen der Erwärmung die Zecken immer weiter nach Norden ausbreiten. Sie können Lyme-Borreliose und Frühsommer-Meningoenzephalitis übertragen.
Auch die Bewohner der Nord- und Ostseeküste beobachten den Klimawandel ganz genau. Weltweit stieg der Meeresspiegel in den letzten Hundert Jahren um zwanzig Zentimeter, an der Nordsee um etwa fünf Zentimeter mehr. Der Meteorologe Hans von Storch vom GKSS Forschungszentrum in Geesthacht schätzt, dass der Küstenschutz an der Nordsee bis 2030 ausreicht – dann aber müsse man möglicherweise neue Maßnahmen einleiten.
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Text: Sven Titz
Erschienen am 25. Februar 2009
Klimawandel in Deutschland
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