Im Hamburger Airbuswerk diskutieren deutsche und französische Abgeordnete mit den Flugzeugbauern: Es geht um die Wettbewerbsfähigkeit Europas und um die Frage, ob sich grenzüberschreitende Industriekooperationen auch in wirtschaftlich schweren Zeiten bewähren.
Es ist ein kalter und windiger Januarabend in Hamburg-Finkenwerder. Auf dem Werksgelände des Flugzeugbauers Airbus stehen deutsche und französische Abgeordnete vor einer riesigen Halle und warten, dass man sie einlässt. Im Hamburger Werk werden Teile des neuen zweigeschossigen Passagierflugzeugs A380 montiert. Weil das Unternehmen Sicherheitslücken fürchtet, ist die Montagehalle besonders gesichert. Auch für die Volksvertreter aus Berlin und Paris gibt es keine Ausnahme, sie müssen sich gedulden.
EADS, der Mutterkonzern von Airbus, ist der zweitgrößte Luft- und Raumfahrtkonzern der Welt und gilt als erfolgreiches Beispiel europäischer Zusammenarbeit. Und so ist es kein Zufall, dass die deutschen und französischen Abgeordneten zum „7. Parlamentarierkolloquium Paris-Berlin” Mitte Januar in Hamburg zusammenkommen, einem Traditionsstandort des Flugzeugbaus in Deutschland. Seit 2000 treffen sich die Parlamentarier abwechselnd in Deutschland und Frankreich, um mit Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft zu diskutieren. In diesem Jahr steht die europäische Industriepolitik auf dem Programm. Es geht um die Wettbewerbsfähigkeit Europas und um die Frage, ob sich grenzüberschreitende Industriekooperationen auch in wirtschaftlich schweren Zeiten bewähren.
Andreas Schockenhoff (CDU), Vorsitzender der Deutsch-Französischen Parlamentariergruppe im Bundestag, sieht Parallelen zwischen Abgeordneten und Flugzeugbauern: „Gemischte Teams und eine flexible Führung, um schnell auf neue Situationen reagieren zu können” – das mache die Stärke solcher Kooperationen aus. Gerade in der Luft- und Raumfahrt mit ihren hohen Forschungskosten gebe es zur Zusammenarbeit keine Alternative, sagt Schockenhoff beim gemeinsamen Abendessen in der Werkskantine mit Panoramablick auf die nächtliche Elbe. Die deutsch-französischen Partnerschaft findet sogar noch auf der Weinkarte ihren Ausdruck: ein Riesling aus dem Rheinland, ein Bordeaux aus Frankreich.
Wie kein anderes Großunternehmen spiegelt der Flugzeugbauer Airbus Vielfalt und Aufgabenteilung in Europa: In Toulouse und in Hamburg findet die Endmontage statt, das Werk bei Madrid entwickelt Höhenleitwerke, die Tragflächen kommen aus Großbritannien und im französischen Nantes werden Flugzeugteile aus dem extrem leichten Werkstoff Carbon gefertigt. Einerseits kann Georg Mecke, Hamburger Standortleiter bei Airbus, eine eindrucksvolle Bilanz präsentieren: 198 Bestellungen für das Modell A380, die weltweit größte Passagiermaschine, seien bislang eingegangen, zwölf Flugzeuge wurden 2008 ausgeliefert. „Für die nächsten sechs Jahre sind die Auftragsbücher gefüllt”, sagt Airbus-Deutschland-Chef Gerald Weber. Andererseits kommt es immer wieder zu Verzögerungen wie beim A380 oder jüngst beim Militärtransporter A400M. Dann werden Vorwürfe laut, dass die beteiligten Länder die heimischen Produktionsstandorte begünstigen und den Erfolg des gemeinsamen Projektes gefährden würden.
Auch beim Kolloquium der Abgeordneten treffen gegensätzliche Positionen aufeinander. Es geht um Grundsatzfragen: Wie viel Einfluss dürfen die beteiligten Staaten auf den Konzern nehmen? Wie stark soll sich Europa in der Luft- und Raumfahrt überhaupt engagieren? Und wie kann man den Bürgern in Zeiten der Wirtschaftskrise das kostspielige Engagement auf diesem Gebiet vermitteln?
Die Beziehungen zwischen Deutschem Bundestag und französischer Assemblée nationale hätten eine „besondere Qualität”, sagt Fritjof von Nordenskjöld, ehemaliger deutscher Botschafter in Paris und stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. „Bei der Bewilligung von aufwendigen Projekten kommt beiden Parlamenten eine wichtige Rolle zu”, sagt von Nordenskjöld. „Die Bundestagsabgeordneten haben dabei allerdings mehr Einfluss als ihre Kollegen in Paris, weil der französische Präsident vieles über Verordnungen durchsetzen kann.”
Um konkrete Entscheidungen geht es bei den regelmäßig stattfindenden Kolloquien ohnehin nicht. Hier sprechen die Volksvertreter mit Experten, tauschen Standpunkte aus, knüpfen Beziehungen. „Es geht nicht um konkrete Gesetzgebungsvorhaben, sondern darum, solche Themen gemeinsam zu diskutieren”, sagt Andreas Schockenhoff. „Die eigene Position mit den Augen anderer zu sehen” – das sei ihm wichtig. Sein Kollege Yves Bur, Vorsitzender der Französisch-Deutschen Parlamentariergruppe, ergänzt: „Die europäische Zusammenarbeit ist wünschenswert, aber dass sich Deutschland und Frankreich einig sind, ist unbedingt notwendig.” Für den Elsässer Bur und den Württemberger Schockenhoff ist diese Zusammenarbeit längst Wirklichkeit: Beide unterstützen sich gegenseitig bei ihren Wahlkampfauftritten.
Text: Kata Kottra
Erschienen am 25. Februar 2009