Es kommt selten vor, dass die Grünen im Europaparlament und die Automobilindustrie Vorschläge der EU-Kommission gleichermaßen unterstützen. Die Besteuerung von Personenkraftwagen ist so ein Fall - auch wenn die Autolobbyisten und die Umweltschützer die Vision aus Brüssel aus unterschiedlichen Gründen begrüßen.
Die Kommission hatte ihre Richtlinie im Sommer letzten Jahres vor allem vorgelegt, um bessere Wettbewerbsbedingungen auf dem europäischen Automobilmarkt zu schaffen. In Brüssel ärgert man sich seit langem darüber, dass die meisten Mitgliedstaaten eine oftmals sehr hohe Abgabe bei der Zulassung eines Autos erheben. Die Dänen greifen ihren Autofahrern bei dieser Gelegenheit am tiefsten in die Tasche: Für ein dänisches Nummernschild bezahlt man leicht 10.000 Euro und mehr. Die Kommission sieht darin ein Hindernis für die Freizügigkeit. Wer innerhalb der EU umzieht, muss je nach nationalen Vorschriften ein weiteres Mal dafür bezahlen, dass er sein Auto anmeldet. Der Europäische Gerichtshof, auf den sich die Kommission beim Ausbau des Binnenmarktes sonst verlassen kann, hat diese Praxis jedoch ausdrücklich abgesegnet.
Die Automobilindustrie sieht in der Zulassungssteuer vor allem ein Absatzhindernis. Sie muss Neuwagen in den Ländern mit hohen Zulassungsabgaben deut-lich billiger verkaufen. Die Abschaffung der Zulassungssteuern sei ein "wichtiger Beitrag zur Vereinheitlichung der Neuwagenpreise in Europa und zur Schaf-fung von mehr Transparenz für die Verbraucher", freut sich der Verband der Automobilindustrie (VDA). Die Auto-Lobby hat sich sogar damit abgefunden, dass abgasarme Fahrzeuge steuerlich begünstigt werden.
Die Kommission will die Wettbewerbsverzerrung dadurch beseitigen, dass die Zulassungssteuern über einen Zeitraum von fünf bis zehn Jahren abgeschafft werden. Stattdessen sollen alle Mitgliedstaaten eine jährliche Kraftfahrzeugsteuer erheben, die sich ab 2010 mindestens zur Hälfte nach dem Kohlendioxid-Ausstoß pro Kilometer richtet. "Wir wollen die Kraftfahrzeugsteuer nicht harmonisieren", sagt der zuständige Kommissar Laslo Kovacs, "denn die Mitgliedstaaten können die Höhe des Steuersatzes weiterhin selber festlegen. Dadurch wird es auch nicht zu Einnahmeausfällen für den Fiskus kommen. Die Zulassungssteuer kann schrittweise zurückgeführt und durch die Kraftfahrzeugsteuer ersetzt werden."
Im Europäischen Parlament ist der Vorschlag der Kommission überwiegend auf Zustimmung gestoßen. Zulassungssteuern seien ein erheblicher Kostenfaktor, sagt die Berichterstatterin des Parlamentes Karin Riis-Jörgensen von der liberalen Fraktion. Im Durchschnitt koste die Neuanmeldung in einem anderen EU-Land 350 Euro. Sie belaste die Autofahrer außerdem mit überflüssiger Bürokratie. "Eine einheitliche Besteuerungsgrundlage für die Kraftfahrzeugsteuer wird nicht nur dafür sorgen, dass der Wettbewerb im Binnenmarkt besser funktioniert, sondern auch einen Beitrag zur Reduzierung der Kohlendioxid-Emissionen leisten." Das Kohlendioxid der Personenwagen macht rund 15 Prozent der europäischen Gesamtemissionen an CO2 aus.
Die Mehrheit der Parlamentarier will sich allerdings mit dem Vorschlag der Kommission nicht zufrieden geben, wonach die Mitgliedstaaten im Detail festlegen, wie stark der CO2-Ausstoß bei der Steuer berücksichtigt wird. Die Kfz-Steuer müsse überproportional mit dem CO2-Ausstoß ansteigen, verlangt das EU-Parlament. Damit würden größere und teurere Autos benachteiligt, sagt der konservative Abgeordnete Werner Langen(CDU). "Es sind jedoch gerade die Autos der Mittel- und der Oberklasse, bei denen die Entwicklung neuer und umweltschonender Technologien am sinnvollsten ist." Die Mehrheit des Parlamentes ließ sich von diesem Argument, das auch von der Autoindustrie ins Feld geführt wird, nicht überzeugen. Sie will bei der Höhe der Kraftfahrzeugsteuer neben dem CO2-Ausstoß auch Stickoxide und Rußpartikel berücksichtigt sehen. Das Parlament habe damit "den Benzinschluckern den Kampf angesagt", freut sich der grüne Abgeordnete Claude Turmes - und der Automobilindustrie eine empfindliche Niederlage beigebracht.
Ihre Lobbyisten werden jetzt versuchen, die Scharte im Ministerrat auszuwetzen. Ihre Chancen sind nicht schlecht, denn das Votum des Parlamentes ist nur eine Empfehlung. Über Steuern entscheiden die Finanzminister alleine und einstimmig. Im Ministerrat stoßen die Pläne der Kommission überwiegend auf Skepsis. Für 16 der 25 Finanzminister ist die Zulassungssteuer eine teilweise wichtige Einnahmequelle. Die Finanzminister können sich frühestens im November mit dem Thema befassen, so Diplomaten in Brüssel. Die schwierige Suche nach einer Lösung bliebe dann voraussichtlich an den Deutschen hängen, die im Januar den Vorsitz im Ministerrat übernehmen.