Es ist ein klassisches Bild aus Kriminalfilmen: Der
Verdächtige muss seine Finger erst auf ein Stempelkissen und
dann aufs Papier drücken. Nach dem Abgleich mit den
Fingerabdrücken vom Tatort steht dann recht schnell fest: Der
war's - oder eben nicht.
Doch das, was wir bislang nur in der Fernsehwelt verorteten,
findet jetzt - nur ohne Stempelfarbe - Eingang in unseren Alltag:
Künftig sollen in Reisepässen nicht nur das Gesichtsbild,
sondern zusätzlich auch Fingerabdrücke in elektronischer
Form enthalten sein. Einen entsprechenden Gesetzentwurf der
Bundesregierung (
16/4138 ) hat der Bundestag am 1. Februar
erstmalig beraten und an den zuständigen Innenaussschuss
überwiesen.
Überwachungswelle Darin heißt es, die Speicherung
der biometrischen Daten in Pässen und Reisedokumenten werde
durch eine Verordnung der Europäischen Union vorgeschrieben -
mit dem Entwurf werde also das deutsche Passrecht nur an das
Gemeinschaftsrecht angepasst. Die Oppositionsparteien sehen das
anders: Sie fürchten, dass die Regierung über kurz oder
lang die biometrischen Merkmale auch in den normalen
Personalausweis integrieren wird. Damit setze sie sich, so die
FDP-Abgeordnete Gisela Piltz, über datenschutzrechtliche
Bedenken hinweg und werde zum "Vorreiter einer neuen biometrischen
Überwachungswelle".
Biometrische Daten seien, so die Liberale, "die elementarsten
Daten, die es für einen Menschen geben kann", da sie Auskunft
über Erbkrankheiten, Abstammung oder Verwandtschaft geben
können. Die Fraktion reichte daher einen Antrag ein, mit dem
die Einführung des elektronischen Personalausweises verhindert
werden soll (
16/3048 ). Er wurde an den Innenausschuss
überwiesen.
Auch die Linke lehnt den Entwurf ab.
Die Verschlüsselung der Daten sei fehleranfällig und
technisch nicht ausgereift, zudem seien biometrische
Ausweisdokumente "nicht vereinbar mit den Bürgerrechten", so
Innenexperte Jan Korte. Wenn geplant sei, die auf den Chips
gespeicherten Daten auch zur Klärung von
Bußgeldverfahren zu nutzen, werde die Zweckbindung, anhand
der Daten allein den Inhaber des Dokuments zu identifizieren,
aufgehoben - und dies sei "eindeutig rechtswidrig". Innenminister
Wolfang Schäuble pflege mit dem Passgesetz seine
"Datensammelobsession": Mit der Speicherung der Daten sowohl in
Pässen als auch Ausweisen würden die biometrischen Daten
"fast aller Bundesbürger auf Vorrat" gespeichert.
Sicherheitspolitische Bedenken gegen die geplanten Pässe
kamen auch von Seiten der Grünen: Seine Fraktion sei nicht
strikt gegen die Einführung biometrischer Merkmale, betonte
Wolfgang Wieland, der Sprecher seiner Fraktion für Innere
Sicherheit. Eine mögliche Referenzdatei widerspreche jedoch
dem Datenschutz und führe zu "noch mehr Überwachung und
noch mehr Abbau von Freiheit".
Dazu käme, dass die neuen Pässe nicht
fälschungssicher seien, da insbesondere Fingerabdrücke
leicht zu fälschen seien. Eine Anleitung des Chaos Computer
Clubs zeige, dass man dafür nur den Deckel einer
Plastikflasche, etwas Sekundenkleber, eine Digitalkamera und einen
hautfreundlichen Kleber benötige. Wielands Fraktion forderte
die Regierung deshalb in einem Antrag (
16/854 ) auf, bestehende Sicherheitslücken
bei biometrischen Pässen zu beseitigen.
Wenig Verständnis für die Kritik der Opposition gab
es von der Regierung. Der Parlamentarische Staatssekretär des
Innenminis-ters Peter Altmaier betonte, die Biometrie in
Personaldokumenten könne einen "wichtigen Beitrag für die
Innere Sicherheit" leisten. Der so genannte E-Pass sei mitnichten
ein Datenschutzrisiko: Die Einführung einer bundesweiten
Datenbank sei ohnehin verboten, die Fingerabdrücke im Chip
dienten ausschließlich "hoheitlichen Kontrollzwecken" und die
Daten im Chip seien sicher. Auch der SPD-Innenpolitiker Frank
Hofmann unterstrich, der Identitätsabgleich, den die Biometrie
in Pässen ermögliche, verhindere die missbräuchliche
Nutzung der Dokumente und führe zu mehr Sicherheit.
Doch nicht nur die Oppositionsparteien haben Zweifel an dieser
optimistischen Aussage. Auch der Dresdner Informatikprofessor
Andreas Pfitzmann steht den Plänen der Bundesregierung mehr
als skeptisch gegenüber. Hinter den Plänen, biometrische
Daten in Pässe aufzunehmen, stehe die "naive Vorstellung", man
könne damit verhindern, dass Terroristen und Kriminelle mit
gefälschten Pässen einreisen - "aber das war, auch wenn
man an den 11. September 2001 denkt, nie das Problem".
Struktureller Fehler Man müsse die Frage stellen, ob man
nicht bei der vermeintlichen Steigerung von Sicherheit an einer
Stelle mehr Unsicherheit an anderen Stellen schaffe. "Es ist ein
struktureller Fehler anzunehmen, dass nur die vermeintlich gute
Seite auf die Daten zugreifen wird." Genauso wie der Staat und die
Geheimdienste könnten sich auch Terroristen und kriminelle
Organisationen Zugriff auf die gesammelten Daten, die zudem nicht
fälschungssicher seien, verschaffen und daraus eigene Vorteile
ziehen.
Außerdem verhinderte die Biometrie in Pässen - wenn
sie richtig funktioniere - Mehrfachidentitäten, "aber das
würde in der Konsequenz bedeuten, dass damit auch
Zeugenschutzprogramme, verdeckte Ermittlungen und die Arbeit
unseres eigenen Geheimdienstes gefährdet wären".
Bevor man die biometrischen Daten in Ausweise aufnehme, sei es
nötig, die Konsequenzen, die daraus entstünden, zu
durchdenken und zu verstehen. "Doch diese Diskussion ist unbequem
und wird deshalb leider nur ansatzweise geführt."