Auf Zustimmung, aber auch auf ein erhebliches Maß an
Skepsis und Ablehnung stieß am 29. Januar bei einer
Anhörung des Rechtsausschusses die Verankerung der Kultur und
des Sports als Staatsziele im Grundgesetz, wie dies ein
Gesetzentwurf der FDP-Fraktion fordert (
16/387 ). Kritiker warnten vor einer
"Inflationierung" von politisch-programmatischen Festlegungen in
der Verfassung, vor einer zunehmenden Verrechtlichung der Politik,
vor einer Entmachtung der Parlamente und vor Gefahren für den
Föderalismus mit seiner Kulturhoheit für die
Länder.
Die Befürworter der Aufnahme von Kultur und Sport als
Staatsziele im Grundgesetz erhoffen sich hingegen von einem solchen
Schritt eine politische Aufwertung dieser Themen, mehr
Unterstützung und speziell beim Sport eine
verfassungsrechtliche Anerkennung der von dieser breiten
gesellschaftlichen Bewegung erbrachten Leistungen und vermittelten
Werte.
Professor Ulrich Karpen (Uni Hamburg) wies darauf hin, dass
die Kultur schon heute eine öffentliche Aufgabe sei und auch
ein "dichtes Geflecht" von Bestimmungen im Grundgesetz den Staat zu
deren Förderung anhalte. Für eine eigene
Kulturstaatsklausel spreche lediglich deren
"volkspädagogischer Nutzen". Ähnlich wie andere Kritiker
unter den Sachverständigen meinte Heinrich A. Wolff, mit der
bislang praktizierten Zurückhaltung bei programmatischen
Aussagen im Grundgesetz sei man in Deutschland gut gefahren. Der
Professor von der Universität in Frankfurt/Oder wandte sich
gegen "verfassungsrechtliche Direktiven" für die Politik. Mit
einer Verankerung immer neuer Staatsziele im Grundgesetz, so Wolff,
"öffnet man Schleusen": Wenn man Kultur und Sport in die
Verfassung aufnehme, stelle sich die Frage, warum dies nicht auch
für die Sicherung eines Existenzminimums gelten solle. Auch
Professor Rupert Scholz hob hervor, dass das Grundgesetz lediglich
ein "ordnungspolitischer Rahmen" sei und beispielsweise keine
Festlegungen über das Wirtschaftssystem treffe. Trotz der
gebotenen Zurückhaltung bei Staatszielbestimmungen in der
Verfassung, so der Professor von der Uni München, sei eine
solche Klausel für die Kultur angesichts deren
überragender gesellschaftlicher Bedeutung jedoch "nicht
sinnwidrig".
Kultur wird aufgewertet Der Mainzer Professor Friedhelm Hufen
erklärte, durch eine Verankerung im Grundgesetz werde die
Kultur aufgewertet und bei der politischen Auseinandersetzung um
Fördermittel gegenüber anderen Aufgaben gestärkt.
Eine Gefahr für den Föderalismus verneinte Hufen, da sich
eine solche Klausel in der Verfassung an alle staatlichen Ebenen
richte.
Eine "grundgesetzliche Anerkennung" der positiven Leistungen
des Sports forderte Martin Nolte von der Uni Kiel. Diese
"Regelungslücke" im Grundgesetz müsse geschlossen
werden.
In einer schriftlichen Stellungnahme erklärte Thomas
Bach, der Sport habe bereits "die Qualität eines Grundwertes
unserer Verfassung erlangt". Ein solches Staatsziel führt aus
Sicht des Präsidenten des Deutschen Olympischen Komitees "zu
einer Symmetrie zwischen Ist-Zustand und Verfassung", womit das
"Gebot der Verfassungsredlichkeit" eingelöst werde. Mehrere
Sachverständige lehnten eine Sportklausel im Grundgesetz indes
entschieden ab. Die Verfassung sei nicht dazu da, so Friedhelm
Hufen, die Verdienste von Ehrenamtlichen und Verbänden zu
würdigen.