Wahrlich nicht jeder Bundestagsabgeordnete kann von sich
behaupten, Namenspatron eines Tunnels zu sein. Ulla Burchardt von
der SPD schon. "Ihr" Tunnel wird 2007 fertig gestellt und verbindet
in Dortmund auf einer Länge von 1.310 Metern eine
Bundesstraße mit einer Bundesautobahn. An der
Tunnelöffnung steht schon jetzt in Stein gemeißelt:
"Ulla-Tunnel" - so nennen die Dortmunder das Bauwerk, seit
Burchardt im Bundestag erfolgreich für den Bau der
Entlastungsstraße kämpfte. "Darauf bin ich auch ganz
stolz", erzählt die so Geehrte lachend. "Es gelingt ja nicht
oft, dass der Einsatz, den jeder Abgeordnete für seinen
Wahlkreis bringt, auch öffentlich zur Kenntnis genommen und
gewürdigt wird."
Burchardt ist selbst Dortmunderin. Mit ihrem Mann, ihren
beiden Töchtern und ihrem 90 Jahre alten Vater lebt die
52-Jährige bis heute in einem Haus in der Westfalen-Metropole.
Der Vater, ein Elektriker und langjähriger parteiloser
Betriebsrat, ist eine Schlüsselfigur in ihrem Leben. Von ihm
habe sie gelernt, wie wichtig es ist, Dinge kritisch zu
hinterfragen und eine eigene Meinung zu formulieren, "auch wenn
andere möglicherweise die Nase rümpfen", erzählt
Burchardt. Ihm sei es zu verdanken, dass die Tochter als einziges
Arbeitermädchen der Siedlung auf das Gymnasium gehen und
später Pädagogik, Sozialwissenschaften und Psychologie
studieren konnte - ungewöhnlich für eine Frau zu jener
Zeit, und eine Erfahrung, die für Burchardt "die Nabelschnur
zur SPD" wurde: "Die damalige SPD-Kampagne "Chancengleichheit in
der Bildung", also die Forderung, dass auch Arbeiterkinder ein
Recht haben sollten, aufs Gymnasium zu gehen und eine Hochschule zu
besuchen, hat mich ganz persönlich betroffen. Bildung, das
habe ich selbst erlebt, ist der Schlüssel - deshalb trat ich
1976 in die SPD ein."
Bevor sie ihre Parteifreunde dazu überredeten, für
den Bundestag zu kandidieren - sie selbst wollte eigentlich nie
Berufspolitikerin werden - arbeitete Burchardt 13 Jahre in der
außerschulischen Bildung. Dort lernte sie, Gespräche zu
leiten und Themen so aufzubereiten, dass die Menschen sich auch
dafür interessieren. Gutes Rüstzeug für die
politische Arbeit. Sie war Mitte 30, und damit eine "bemerkenswert"
junge Frau, Akademikerin und Mutter zweier Kleinkinder - eine
Ausnahmeerscheinung im Parlament -, als sie schließlich 1990
in den Bundestag einzog. Ihre Dissertation blieb derweil
unvollendet in der Schublade liegen.
Als Abgeordnete widmete sich Burchardt den Themen, die sie
einst zur SPD geführt hatten: Bildung, Chancengerechtigkeit
und Innovation. Sie engagierte sich im damaligen Ausschuss für
Forschung und Technologie und übernahm 2005 den Vorsitz des
heute für "Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung" zuständigen Gremiums.
Schwerpunkte, die naheliegen, angesichts ihres Engagements für
den erfolgreichen Strukturwandel in der alten Montanstadt Dortmund
hin zu einem führenden Wissenschafts- und
Innovationsstandort.
Seit zehn Jahren ist Burchardt zudem Berichterstatterin
für das Büro Technikfolgenabschätzung (TAB) im
Deutschen Bundestag - einer wissenschaftlichen
Beratungseinrichtung, die in ihrer Art nicht nur bundesweit,
sondern auch in der Welt einzigartig ist. "Beim TAB", erzählt
Burchardt, "können wir Parlamentarier uns von Wissenschaftlern
beraten lassen: darüber, wie wir den technischen Fortschritt
sinnvoll und zum Nutzen der Menschen fördern können und
wo es ökologische, ökonomische und soziale Chancen gibt,
aber auch Probleme und politischen Handlungsbedarf. Ein
hochinteressantes und wichtiges Gebiet an der Schnittstelle von
Wissenschaft und Politik."
Gelegentlich taucht Burchardt von der Politik ab - oder sie
wagt den "Absprung": Als sie 40 wurde, machte sie einen
Tauchschein, und erst vor kurzem ist sie erstmals mit dem
Fallschirm gesprungen. "Beides hatte ich mir immer vorgenommen",
sagt sie, und fügt nachdenklich hinzu: "Das kann man fast
schon programmatisch nehmen: Man muss die Welt immer von
unterschiedlichen Perspektiven betrachten. Einmal von unten und
einmal von oben. Das gilt auch für die Politik."