Übernachten in 10-Personen-Zelten, Singen am Lagerfeuer und das meist organisiert von Kirchen oder Wohlfahrtsverbänden. So sah er aus, der traditionelle Urlaub von Kindern und Jugendlichen in den 1950er-Jahren. Vierbettzimmer im Hotel, Animateure, ein möglichst individuell wählbares Programm von einem professionellen Anbieter aus dem Katalog. Das ist der Jugendurlaub von heute - und der Trend wird sich verstärken, sagen Experten.
"Die Formel Süden, Strand, Meer tut es nicht mehr", sagt Thomas Gehlen, Geschäftsführer von Ruf Jugendreisen, dem nach eigenen Angaben größten Anbieter für Kinder- und Jugendreisen in Deutschland. Themen bezogene Angebote wie Fußball- oder Tanzcamps, Kombinationen aus Spaß und Bildung seien sehr gefragt. Die jungen Menschen seien "reiseerfahren" durch Urlaube mit den Eltern und wüssten heute viel besser als früher, was sie wollten, so Gehlen.
4,8 Millionen Mal sind junge Deutsche im Alter von 14 bis 19 Jahren im vergangenen Jahr weggefahren. Die Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (Fur) erfasst in ihrer Reiseanalyse Trips, die länger als fünf Tage dauerten. In der Altersgruppe 20 bis 29 Jahre weist die Statistik 7,1 Millionen Reisen aus. Unangefochtenes Spitzenziel: Spanien. 16,4 Prozent der Trips von 14- bis 19-Jährigen und 19 Prozent der Urlaube von 20- bis 29-Jährigen gingen in das südeuropäische Land. Damit liegen die jungen Menschen gut im Schnitt: 14 Prozent aller Reisen von Deutschen - neun Millionen - gingen 2006 nach Spanien. Pauschalreisen waren mit gut einem Drittel in der niedrigeren Altersgruppe und fast der Hälfte bei den Älteren die beliebteste Reiseform. Differenzierte Zahlen über die noch jüngere Klientel gibt es nicht.
Der Markt ist für die Tourismusbranche nicht zu unterschätzen. Mindestens 3,5 Milliarden Euro verdienten Anbieter an Urlaubsreisen von Kindern und Jugendlichen ohne Eltern, heißt es in einer Studie des BundesForum Kinder- und Jugendreisen aus dem Jahr 2003. Seitdem dürften die Einnahmen gestiegen sein. "Es gibt grundsätzlich zwei Märkte: Kinderreisen von acht bis 13 Jahren und Jugendreisen ab 14 Jahren", erläutert Gehlen.
Bis in die 1970er-Jahre nahm die westdeutsche Tourismusbranche junge Menschen nicht wahr. In den 1980ern kamen in der BRD die ersten privaten Anbieter mit Spezialreisen auf den Markt. Der Trend zur individuellen, aber organisierten Reise wird sich fortsetzen, denn er entspricht dem generellen Freizeitverhalten junger Menschen. Professor Klaus Hurrelmann ist sich sicher, dass "alles, was dazu führt, dass man sich früh festlegen muss", wenig Erfolg haben wird. Der Mitautor der Shell Jugendstudie 2006 schätzt, dass professionelle Anbieter bei etwa 60 Prozent der jungen Menschen auf Interesse stoßen können. "Selbstbewusste Macher" nennt er die eine Hälfte dieser 60 Prozent, die mobil seien und sehr darauf achteten, ihre Wünsche umzusetzen. "Pragmatische Idealisten" seien die anderen, die eine fremde Kultur besser kennenlernen und auch einmal anderen helfen wollten. Große Zeltlager mit Pfadfinderidylle wird es also auch nach seiner Einschätzung immer weniger geben.