Beschäftigungspolitik
Die Linke steht mit ihren Vorschlägen allein da und feilt am Oppositionsprofil
Dass Die Linke viel mit dem Papst am Hut hätte, mag ernsthaft wohl niemand behaupten. So war die Überraschung am 25. Oktober im Bundestag groß, als Linksfraktionschef Oskar Lafontaine Benedikt XVI. als Gewährsmann heranzog. Die aus prekären Arbeitsverhältnissen entstehende Unsicherheit am Arbeitsplatz erschwere es jungen Leuten, eine Familie zu gründen, referierte Lafontaine den Pontifex. "Sie haben immer noch nicht begriffen, dass der Papst völlig Recht hat", betonte der Katholik und Linken-Chef, um Mini- und Ein-Euro-Jobs, befristete Arbeitsplätze im Einzelnen und Hartz IV im Allgemeinen als schädlich zu geißeln. Der FDP-Abgeordnete Heinrich L. Kolb konterte, bei den Vorstellungen der Linksfraktion darüber, was gute Arbeit sei, "dürften nur noch Beamte Kinder kriegen". Lafontaine halte es offensichtlich wie "Pipi Langstrumpf: Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt."
Gleich sechs arbeitsmarktpolitische Anträge der Linksfraktion standen zur Diskussion. Vier von ihnen überwies der Bundestag zur weiteren Beratung in die Ausschüsse: eine Initiative für eine gerechte Arbeitswelt mit dem Titel "Gute Arbeit - Gutes Leben" ( 16/6698 ), eine Vorlage zu Einarbeitungs- und Probearbeitszeiten ( 16/4909 ), ein Papier über die "Beschäftigungspolitische Verantwortung der Bundesregierung bei der Deutschen Telekom AG" ( 16/5677 ) und einen Antrag zum Ende der Subventionierung von Mini- und Midijobs ( 16/5809 ). Zwei weitere Vorlagen lehnte der Bundestag mit den Stimmen aller Fraktionen außer der Linksfraktion ab: einen zum Ausbau des Kündigungsschutzes ( 16/2080 , 16/5813 ) und einen zur Verlängerung des Arbeitslosengeldes I ( 16/3538 , 16/5658 ). Letzterer ist im Übrigen schon ein Jahr alt, war also keine Reaktion auf die aktuelle Diskussion in der SPD.
Der Vorwurf an die Antragsteller, Vorschläge an der Wirklichkeit vorbei zu machen, einte in der Debatte Union, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen. Grünen-Sozialexpertin Brigitte Pothmer betonte: "Durch das Herbeireden von guten alten Zeiten lassen sich Probleme auf dem Arbeitsmarkt nicht lösen." Die SPD-Abgeordnete Katja Mast befand, "unrealistische Versprechen helfen überhaupt nichts". Der CSU-Parlamentarier Paul Lehrieder sagte: "Mehr Sonnenschein für alle - utopischer kann es gar nicht sein." Und die CDU-Parlamentarierin Gitta Connemann fühlte sich von der Lafontaine-Rede an Fernsehsoaps à la "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" erinnert. "Sie sahen gerade eine weitere Folge der Telenovela Oskar - Wege zum Glück", kommentierte sie. Möglicherweise habe es sich aber auch um eine Folge aus "Verwirrt in Berlin" gehandelt. Jedenfalls gehe es Lafontaine "eben nicht um Wirksamkeit, sondern um Wirkung".
Neben dieser großen Übereinstimmung in der grundsätzlichen Ablehnung der Linkenvorschläge offenbarte die Debatte in einigen zentralen arbeitsmarktpolitischen Fragen auch Differenzen zwischen den beiden Koalitionspartnern. Beispiel Zeitarbeit: Connemann lobte die Branche als "Jobmotor", der sie auch in Zukunft sein werde. Rund ein Viertel aller Neueinstellungen gehe auf diese Branche zurück, jeder dritte Zeitarbeiter werde vom Entleiher übernommen, so die Christdemokratin.
Umgehend forderte SPD-Sozialexpertin Andrea Nahles Connemann auf, "den Weichzeichner" aus ihrer Darstellung der Zeitarbeitsbranche zu nehmen. Leiharbeit sei "durchaus ein sinnvolles Instrument", sagte die SPD-Politikerin, aber dass Leiharbeiter weniger Geld verdienten als ihre fest angestellten Kollegen, sei "auf Dauer nicht in Ordnung".
Auch in ihrer grundsätzlichen sozialpolitischen Einschätzung unterschieden sich die beiden Koalitionsfraktionen. Sozial sei nicht, was Arbeit schafft, beschied Nahles Connemann, sondern sozial sei, was "gute Arbeit schafft". Das sei für sie "Arbeit, die gerecht entlohnt wird, Arbeit, die nicht krank macht" und Anerkennung bringe.
Die Linke darf sich zumindest ans Revers heften, das - bei den Gewerkschaften entliehene und auch in der SPD verwendete - Schlagwort von der "guten Arbeit" in den parlamentarischen Raum getragen zu haben. Ihren Antrag hat sie zugleich und unmittelbar vor dem SPD-Bundesparteitag in Hamburg als 29-seitige Broschüre mit dem Titel "Manifest für eine gerechte Arbeitswelt" herausgegeben. Eine der darin enthaltenen Kernforderungen lautet, dass Gehaltskürzungen von Bund, Ländern und Gemeinden künftig nur dann genehmigt werden können, wenn der Betrieb nachweislich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten ist.
Nicht regierungswillig Union und SPD warfen der Fraktion Die Linke mit Blick auf diesen und die anderen fünf Anträge unwidersprochen vor, nicht regierungswillig zu sein. Die CDU-Politikerin Connemann betonte, das "Politikgebaren" der Linkspartei sei "Auftragsverweigerung an ihren Wählern". Ihre SPD-Kollegin Mast fügte an die Linksparlamentarier gewandt hinzu: "Sie fordern, was das Zeug hält, wollen aber keine Verantwortung übernehmen."
Für Die Linke scheint es derzeit kein Problem zu sein, mit ihren Vorschlägen allein da zu stehen. Gerade erst hat ihr Bundesvorsitzender Lothar Bisky in einem Interview mit dem "Deutschlandfunk"erklärt, die Bundesagswahl 2009 "mit einem klaren oppositionellen Profil angehen" zu wollen. Im Zweifel offenbar auch mit dem Papst auf dem Schild.