Sie sind ein Dauerthema: Während Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) am 24. Oktober während der Gedenkveranstaltung für die RAF-Opfer erneut betonte, man brauche die Online-Durchsuchungen, sorgte die umstrittene Ermittlungsmethode zeitgleich im Innenausschuss für Verstimmung innerhalb der Koalition.
Sichtlich verärgert reagierte die SPD, als ihr Koalitionspartner in der Sitzung überraschend beschloss, gegen das Votum der Sozialdemokraten gemeinsam mit den Oppositionsfraktionen dem Antrag der Liberalen zuzustimmen, dem früheren Innenstaatssekretär Lutz Diwell eine Einladung zu einer Sitzung des Innenausschusses zu schicken. Diwell hatte im Sommer 2005 die Dienstvorschrift unterzeichnet, auf deren Grundlage der Verfassungsschutz heimliche Online-Durchsuchungen durchgeführt hatte. Weil der Staatssekretär im Frühjahr dieses Jahres in einem Interview behauptet hatte, er habe gar nicht gewusst, dass der Verfassungsschutz seine Verwaltungsanordnung als Grundlage zum Ausspähen privater Computer nutzen werde, fordert die FDP-Fraktion im Innenausschuss bereits seit Monaten, Diwell, der seit Ende 2005 für Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) tätig ist, solle vor dem Ausschuss Bericht erstatten, wie es damals zu der Dienstanweisung gekommen sei. Dieser Vorstoß wurde bislang nur von den Grünen und der Linksfraktion unterstützt, während sich die Union "aufgrund der Koalitionsräson" dazu entschieden hatte, "zu dem Thema zu schweigen".
In der Sitzung am 24. Oktober aber betonte die Union jetzt, es sei - anders als von der SPD behauptet - sehr wohl von Bedeutung, ob Diwell sich damals über die Auswirkungen der Anweisung im Klaren gewesen sei. Nach Ansicht der Sozialdemokraten ist die Diskussion um sein subjektives Empfinden allerdings "gehobener Kaffeeklatsch", da "es nicht darauf ankommt, was Diwell damals gedacht haben könnte". Die Entscheidung der Union, dem Antrag der Opposition zuzustimmen, überraschte und verärgerte die SPD sichtlich. Die Fraktion hatte wohl gehofft, mit der Entscheidung, das Thema Diwell, das im Innenausschuss seit Monaten auf der Tagesordnung auftaucht und immer wieder geschoben worden ist, an diesem Tag vorzuziehen und vor allen anderen Tagesordnungspunkten zu behandeln, der Diskussion endlich ein Ende zu bereiten.
Die Liberalen bekräftigten ihre Überzeugung, es sei "ein ernster Vorgang", dass Diwell sich bislang geweigert habe, der Einladung des Innenausschusses - die allerdings bislang zunächst pauschal an die Adresse der Regierung gerichtet war - Folge zu leisten und dass auch Ministerin Zypries nicht zulasse, dass er sich vor dem Ausschuss erkläre. "Wenn der Ausschuss sich das gefallen lässt, dann verfehlt er seine Kontrollaufgabe", so die FDP. Es gehe nicht um die Person Lutz Diwell, sondern um die Frage, wie es sein könne, dass in einer Verwaltungsanordnung Maßnahmen erlaubt werden könnten, die zu "tiefen Grundrechtseingriffen" führten. Die Regierung betone zwar immer wieder, dass es vor dem Inkrafttreten der Dienstverordnung eine "ausführliche rechtliche Prüfung" gegeben habe, spätestens seit der Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts zu den Online-Durchsuchungen sei aber "jedem klar", dass es sich dabei um ein "problematisches" Instrument handele.
Dieser Ansicht stimmten Linksfraktion und Bündnisgrüne ausdrücklich zu. Die Grünen-Fraktion hielt zwei Szenarien für denkbar: Entweder habe der Verfassungsschutz "rechtswidrig und illegal im eigenen Ermessen" die Verwaltungsanordnung so ausgelegt, dass sie schwere Grundrechtseingriffe erlaube, oder Diwell habe sich in seinem Statement damit verteidigt, von dieser Auslegung nichts gewusst zu haben, "obwohl sein damaliger Chef Otto Schily grünes Licht" für die Online-Durchsuchungen gegeben und so versucht habe, das Verfahren "innerhalb rechtlicher Grauzonen" auszuprobieren. Der Vorgang müsse "im Detail aufgeklärt werden", so die Grünen.