Provokant
Die These von der »ethnischen Säuberung«
Mit der Aufteilung Palästinas durch die UN-Resolution 181 vom 29. November 1947 beginnt, was der israelische Historiker Ilan Pappe die "ethnische Säuberung Palästinas" nennt. Der Buchtitel gibt einen ersten Vorgeschmack auf Pappes provokante These. Sorgfältig vorbereitet und später in dem von Ben Gurion initiierten Masterplan "Dalet" minutiös abgearbeitet, seien an die 800.000 Palästinenser aus 531 Dörfern und elf städtischen Siedlungen vertrieben und ihre Häuser zerstört und vermint worden, um jede Rückkehr unmöglich zu machen.
Zudem geht Pappe gegen den von israelischer Seite verbreiteten Mythos vor, den Juden habe durch die Palästinenser und ihre verbündeten Araber nach der Staatsgründung ein "zweiter Holocaust" gedroht, die Vertreibung der Palästinenser sei deshalb zum Selbstschutz unumgänglich gewesen. Tatsächlich, so Pappe, waren die Palästinenser militärisch hoffnungslos unterlegen, und die befreundeten arabischen Nachbarländer hatten lediglich verbale Unterstützung anzubieten.
Vieles von dem, was Pappe schreibt, ist nicht neu. Seit etlichen Jahren bemühen sich Historiker in Israel, wie etwa Tom Segev oder Benny Morris, um eine Geschichtsschreibung abseits der Gründungsmythen Israels. In der Tat kam es in dieser Zeit zu Massakern, bei denen auch Frauen und Kinder erschossen wurden. Und jüdische Terroristen ermordeten den zum UN-Vermittler in Palästina ernannten Graf Bernadotte, der, entsetzt über die von israelischen Militärs verübten Gräueltaten, eine Neuaufteilung des Landes sowie die Rückkehr sämtlicher arabischer Flüchtlinge gefordert hatte.
Doch Pappe, Jahrgang 1954 und Sohn deutscher Einwanderer, geht einen Schritt weiter. Er will belegen, es sei 1947/48 zu einer planmäßigen "ethnischen Säuberung" gekommen. Doch diese Planmäßigkeit lässt sich nach Meinung seiner Historiker-Kollegen eben nicht beweisen. Zudem stellt er mit dem Begriff "ethnische Säuberung" Verbindungen zu den Balkan-Kriegen in den 90er-Jahren her, die sich angesichts der Situation vor 60 Jahren nicht halten lassen. Zumal solche Vergleiche nicht historisch sondern politisch motivierter Art sind.
Der Autor bekleidet zurzeit eine Professur in Exeter, nachdem er an der Universität in Haifa in Misskredit geraten ist. Seiner Überzeugung nach kann die Spirale der Gewalt im Nahen Osten nur beendet werden, wenn sich Israel zu dem begangenen Unrecht bekennt. Mit seinem Buch wird er dieses Ziel jedoch nicht erreichen.
Die ethnische Säuberung Palästinas.
Verlag Zweitausendeins, Frankfurt/M. 2007; 413 S., 22 ¤