Sie waren kürzlich auf einer Konferenz zum Thema Antisemitismus in Israel: Greift der Antisemitismus wieder stärker um sich?
Ja, der Antisemitismus zeigt sich wieder - in unterschiedlichen neuen Formen und in unterschiedlichen Regionen der Erde; Südamerika ist ein Beispiel. Diese Entwicklung wird im Staat Israel sehr aufmerksam beobachtet.
Welche Eindrücke bringen Sie aus Israel mit nach Deutschland?
Das Erste ist: Die Regierung Israels ist sich der gefährlichen Entwicklung sehr bewusst. Sie sucht deshalb Partner, die mit dem Staat Israel gemeinsam versuchen, dem Problem des Antisemitismus zu begegnen.
Zweitens: Israel weiß, dass es in der Bundesrepublik Deutschland einen Partner hat, auf den es sich verlassen kann. Es bestehen allerdings deutliche Unterschiede in der Herangehensweise: In Deutschland gehen wir sehr konzeptuell, mit wissenschaftlicher Expertise an das Problem Antisemitismus heran. Israel setzt in stärkerem Maß auf pragmatischere Lösungen, um so das Problem in den Griff zu bekommen.
Was sind das für neue Formen des Antisemitismus
Diese so genannten neuen Formen haben mit dem Staat Israel zu tun. In Wahrheit sind das keine neuen Formen, weil man sich gegen den Staat Israel wendet, da dieser Staat die Heimstatt der Juden ist.
Früher ist der Jude als Individuum der Feind gewesen, heute ist es der kollektive Jude, der Staat Israel. Das ist so eine innere Verbindungslinie, die sich nur in einer neuen Form zeigt. Es dreht sich immer um Antisemitismus.
Die FDP hat vorgeschlagen, eine Enquete-Kommission zum Thema Antisemitismus einzusetzen. Was halten Sie davon?
Eine Enquete-Kommission ist eine Möglichkeit, aber nicht die einzige. Eine Enquete-Kommission muss mindestens zwei Jahre intensiv arbeiten, bis sie zu praktisch umsetzbaren Ergebnissen kommt. Der Bundestag wird sich in einer Anhörung im Juni mit dem Thema Antisemitismus und seinen neue Formen befassen.
Dem will ich nicht vorgreifen. Anschließend werden wir die richtigen Schlussfolgerungen ziehen. Alles, was hilft, die Phänomene des Antisemitismus besser zu erkennen, muss im Interesse des Deutschen Bundestages liegen.
Gibt es in Deutschland so etwas wie einen neuen Antisemitismus der Intellektuellen?
Derjenige, der diese merkwürdige Debatte angestoßen hat, Martin Walser mit seiner berüchtigten Rede in der Frankfurter Paulskirche, hat sie ja auch zum Teil widerrufen. Er hat wohl auch erkannt, dass diese Form der Auseinandersetzung mit Auschwitz als moralischer Keule falsch ist, dass er deutlich über das Ziel hinausgeschossen ist. Das war eher eine Einzelmeinung.
Die Fragen stellte
Sebastian Hille.