Drei Jahre Ihres Studiums haben Sie an der Universität Tel Aviv verbracht. Warum?
Ich habe Jüdische Studien, Geschichte und Medienwissenschaften studiert und wollte einen Teil des Studiums im Ausland verbringen. In Israel wollte ich seit meiner Zeit als Zivildienstleistender studieren. Ein zweiter Grund war, dass ich Nachholbedarf verspürte, das Land, die Menschen und die israelische Gesellschaft, die mich so fasziniert hatten, besser kennen zu lernen.
Wie unterscheidet sich das Universitätssystem in Israel von dem hiesigen?
Gerade nach der Umstellung auf Bachelor- und Master-Abschlüsse in Deutschland gibt es nur noch geringe Unterschiede. Die betreffen vor allem die Finanzierung: Masterstudiengänge sollen in Israel zukünftig umgerechnet 3.200 Euro pro Studienjahr kosten. Die Studienbedingungen kamen mir insgesamt besser vor. An der Tel Aviver Uni waren Hörsäle und Seminarräume nie überfüllt, die Bibliotheken hatten die wichtigsten Titel in Mehrfachexemplaren, die technische Ausstattung war gut.
Hatten Sie als deutscher Student in Israel Probleme?
Die Überlebenden des Holocaust, ihre Kinder und auch ihre Enkel, sie alle haben dir als Deutschem etwas zu erzählen. Die eigene oder die Familiengeschichte. Meine jüdisch-israelischen Freunde machten mit mir hin und wieder Witze. Ich musste auch einiges einstecken, mir Stereotype über Deutsche anhören. Aber bei Freunden hatte ich damit kein Problem.
War der Holocaust ein Thema?
Immer wenn darüber und über die eigenen Gefühle gesprochen wurde, entstand eine tiefe Verbundenheit, vor allem mit den Leuten meiner Generation. Bei den älteren Juden war das problematischer, da schwangen mehr Vorwürfe mit. Nicht gegen mich, sondern gegen Deutschland. Als Nebenjob las ich eine Zeit lang einem alten jüdischen Professor aus Wien deutsche Bücher vor. Er wollte von mir eine Erklärung, warum die Deutschen den Holocaust gemacht haben. Ich konnte ihm die Antwort nicht geben, aber wir konnten wenigstens reden.
Wie haben Sie die Sicherheitslage zu Ihrer Studienzeit in Israel erlebt?
Von 2004 bis 2006 gab es nur realitv wenige Anschläge. Aber nach einer Weile wurde ich genauso ängstlich wie die Israelis. Kurz nach einem Anschlag nahe meiner Wohnung in Tel Aviv sah ich plötzlich in jeder achtlos abgestellten Plastiktüte eine Bombe. Ich hatte Angst. Nach Besuchen in den palästinensischen Gebieten und Gesprächen mit jüdischen Journalisten und Intellektuellen habe ich eine andere Bedrohung empfunden: In einer Gesellschaft zu leben, deren Regierungen an einer Besatzungspolitik festhalten, kam mir auf eine andere Art bedrohlich vor.
Die Fragen stellte
Felix Zimmermann.