Analyse
Über das Verhältnis von Religion und Gewalt
Mit seinem neuen Buch hat der Erfurter Religionswissenschaftler Hans G. Kippenberg eine feinsinnige und längst überfällige Analyse über religiöse Gewalt vorgelegt. Weit entfernt von einseitigen und ideologisch gefärbten Verurteilungen begibt er sich auf die Suche nach Antworten. Kippenbergs Feststellungen sind provokant, weil er sich weigert, verbreitete Klischees zu übernehmen. So schreckt er etwa nicht davor zurück, auch in Hinduismus und Buddhismus, deren angebliche Universalfriedlichkeit in der westlichen Welt penetrant betont wird, Ausbrüche von Gewalt aufzuzeigen. Er legt in den verschiedenen Religionen ähnliche Handlungsmuster offen und bleibt dafür keine Beispiele schuldig. Acht konkrete Fälle, vom Nahostkonflikt über den 11. September bis hin zum amerikanischen "Krieg gegen den Terror", dienen als Anschauungsmaterial.
Obwohl Kippenbergs Thesen auf den ersten Blick abstrakt wirken, wozu vor allem seine nicht ganz eingängige Sprache beiträgt, bleiben sie im zweiten Schritt doch nie schuldig, sich an der Realität messen zu lassen.
Im Gegensatz zu populären Theorien, die geneigt sind, in ihrer Ausschließlichkeit die religiöse Komplexität zu verfehlen, gelingt es Kippenberg, das emotional aufgeladene Thema sachlich anzugehen. So widerlegt er etwa Jan Assmanns These, der Monotheismus neige in seinem ausschließlichen Gottesbild per se zur Gewalt. Zwar bringe auch der Monotheismus seit Jahrhunderten Gewalt hervor, dies allerdings nicht zwangsläufig, kontert Kippenberg. Nur unter bestimmten Voraussetzungen, so die zentrale These des Buches, hat Religion das Potenzial, Gewalt zum Gottesdienst werden zu lassen. Und diese Voraussetzungen sind größtenteils sozialer Natur.
Weder ist Religion, so Kippenberg, ausschließlich Deckmantel zur Rechtfertigung von Gewalt, noch ist sie zwangsläufig gewaltvoll. Gerade weil die Heiligen Schriften sich meist nicht generell gegen Gewalt aussprechen, lassen verschiedene Auslegungen widersprüchliche Haltungen zur Gewalt zu. Lediglich auf die Frage, wie religiös motivierte Gewalt zu stoppen sein könnte, hat auch diese Arbeit keine Antwort. Außer eine pessimistische, die immer wieder zwischen den Zeilen durchscheint: Die Allianz zwischen Religion und Gewalt ist in einer globalisierten Welt, in der die sozialen Strukturen zunehmend geschwächt werden, nicht aufzuheben.
Gewalt als Gottesdienst. Religionskriege im Zeitalter der Globalisierung.
Verlag C.H. Beck, München 2008; 272 S., 19,90 ¤