Drei- bis viermal am Tag bekommt der Präsident des Bundestages Post: Dann kommt ein Bote mit einer Kiste voller Briefe und Päckchen zur "Registratur" im zweiten Stock des Reichstages. Hier landen alle Briefe, die an Norbert Lammert geschrieben werden, egal ob der Absender ein Bürger, ein Verband, ein Ministerium oder eine ausländische Botschaft ist. Darüber hinaus gehen auch noch E-Mails in der Registratur ein. Drei Mitarbeiter sind damit beschäftigt, die Briefe zu sichten, zu sortieren und im Computer zu registrieren - 6.700 Briefe hat der Präsident vergangenes Jahr bekommen, dieses Jahr trudelten bis jetzt 5.300 Briefe ein. Und dabei sind nur Absender berücksichtigt, die das erste Mal schreiben.
Bei soviel Post ist es wichtig, den Überblick zu behalten. Das ist eine Aufgabe von Frank Großmann. Seit mehr als 15 Jahren beschäftigt er sich mit der eingehenden Post des jeweiligen Bundestagspräsidenten. Als der Verwaltungswirt Anfang der 1990er-Jahre begann, im Bundestag zu arbeiten, hieß die Präsidentin noch Rita Süssmuth.
Die Tür der Registratur ist rot lackiert, genau wie alle anderen Türen und Türrahmen auf der so genannten Präsidi- alebene. Hier befindet sich das Büro des Präsidenten und seiner Mitarbeiter. Die Farben erleichtern Besuchern die Orientierung im Reichstagsgebäude: Auf der Ebene des Plenarsaales sind beispielsweise nicht nur die Sitzbezüge, sondern auch die Türen blau. Im Erdgeschoss sind sie orangefarben und auf der Besucherebene dunkelgrün.
Wenn jemand einen Brief an Norbert Lammert richtet, landet dieser erst einmal auf einem der Tische in der Registratur mit den vielen Aktenschränken. "Als Präsident bekommt man Anfragen von unterschiedlichster Seite", schildert Frank Großmann. "Viele Organisationen wollen ihn als Schirmherrn oder als Laudatoren für bestimme Ereignisse gewinnen." Im Februar sprach Lammert beispielsweise bei der Auftaktveranstaltung der Christlich-Muslimischen Friedensinitiative, im April vor dem Bayerischen Landtag zum Thema "Föderalismus und Parlamentarismus", im Mai beim Festakt zum 60. Jahrestag der israelischen Staatsgründung und im Juni bei den Grünen, als diese "25 Jahre im Bundestag" feierten. Auch der Briefwechsel mit Veranstaltern kultureller Ereignisse füllt viele Ordner, denn Kunst und Kultur hat sich Lammert besonders verschrieben.
Andere Schreiber suchen keinen Schirmherrn oder Laudatoren, sondern Rat und Hilfe, erzählt Frank Großmann. In solchen Fällen leiten die Mitarbeiter die Briefe an die richtigen Ansprechpartner weiter: Das kann der Petitionsausschuss sein, ein Wahlkreis-Mitarbeiter des Präsidenten oder ein Referat, das auf die Beantwortung von Bürgeranfragen spezialisiert ist. Wieder andere hätten einfach gerne ein Autogramm. Auch die Bitten um eine Unterschrift füllen mehrere Ordner. Auf seiner Autogrammkarte steht der Präsident vor seinem Büro, hinter ihm sieht man den Plenarsaal mit dem Bundestagsadler; es ist eine ähnliche Perspektive wie auf der Aufnahme von Frank Großmann.
Besonders dringende oder den Präsidenten unmittelbar betreffende Zuschriften werden vom Leiter des Präsidialbüros gesichtet und landen dann auf Norbert Lammerts Schreibtisch. Hier kommen wieder Farben ins Spiel: Liegt dem Präsidenten eine Angelegenheit besonders am Herzen, zeichnet er mit einem grünen Stift ein Kreuz darauf - "Grünkreuz" heißt das Zeichen in der Bundestagsverwaltung. Es bedeutet, dass der Präsident das von der Verwaltung vorzubereitende Antwortschreiben selbst unterschreibt. Ähnlich wie im Reichstagsgebäude unterschiedliche Farben die Ebenen kennzeichnen und die Orientierung erleichtern, gibt es in der Verwaltung größerer Behörden Signalfarben: Im Bundestag unterzeichnen Unterabteilungsleiter in blauer Farbe, Abteilungsleiter mit Lila und Direktoren mit Rot. Die Farbe Grün ist dem Leiter einer Behörde vorbehalten - und eine solche ist, trotz aller Besonderheiten, auch der Bundestag.