Gesetzgebungszuständigkeiten von Bund und Ländern
Die Bundesrepublik Deutschland ist ein Bundesstaat, der aus einem Gesamtstaat (Bund) und 16 Gliedstaaten (Länder) besteht. Ein Wesensmerkmal der bundesstaatlichen Ordnung (Föderalismus) besteht darin, dass sowohl der Bund als auch die Länder eigene Staatsgewalt besitzen und damit Gesetze erlassen können. Man spricht dann von Bundes- beziehungsweise Landesrecht. Nach Artikel 30 Grundgesetz (GG) ist Gesetzgebung grundsätzlich Sache der Länder. Der Bund darf nur tätig werden, wenn das Grundgesetz es ausdrücklich vorschreibt (Artikel 70 ff. GG). Tatsächlich liegen jedoch die meisten Gesetzgebungszuständigkeiten beim Bund.
Es gibt laut Grundgesetz zwei Arten von Zuständigkeiten des Bundes für die Gesetzgebung: die ausschließliche und die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit:
Ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit
Ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit meint, dass der Bund das alleinige Recht hat, Gesetze zu erlassen. Die Länder haben in diesem Fall die Befugnis zur Gesetzgebung nur, wenn sie hierzu durch ein Bundesgesetz ausdrücklich ermächtigt sind (Artikel 71 GG).
Das Staatsangehörigkeitsrecht, das Waffen- und Sprengstoffrecht oder die Erzeugung und Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken sind Beispiele für Bereiche, in denen der Bund die ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit hat. Die Bereiche der ausschließlichen Gesetzgebung sind vor allem im Artikel 73 GG aufgeführt.
Konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit
Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes (Artikel 72 GG) dürfen die Länder nur dann gesetzgeberisch tätig werden, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit keinen Gebrauch gemacht hat. Das Straf- oder das Arbeitsrecht sind beispielsweise Gebiete der konkurrierenden Gesetzgebung. Das Grundgesetz zählt in Artikel 74 Bereiche auf, die unter die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes fallen.
Es gibt drei Konstellationen, in denen der Bund von der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit Gebrauch machen kann:
- Grundsätzlich kann der Bund tätig werden, ohne dass zusätzliche Bedingungen erfüllt sein müssen (Artikel 72 Abs. 1 GG).
- Auf bestimmten Gebieten hat der Bund das Gesetzgebungsrecht aber nur, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht (Artikel 72 Abs. 2 GG, „Erforderlichkeitsklausel“). Davon sind beispielsweise das Aufenthaltsrecht für Ausländer oder das Lebensmittelrecht betroffen. Insgesamt fallen im Artikel 74 Absatz 1 die Nummern 4, 7, 11, 13, 15, 19a, 20, 22, 25 und 26 unter diese Bedingung.
- In einem dritten Bereich hat schließlich der Bund zwar die Gesetzgebungskompetenz, doch haben die Länder eine Abweichungskompetenz (Artikel 72 Abs. 3 GG). Dies gehört zu den großen Neuerungen der Föderalismusreform 2006: Durch die Abweichungsgesetzgebung können die Länder bei bestimmten Materien, die durch die Abschaffung der bisherigen Rahmengesetzgebung des Bundes in den Bereich der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit fallen, von den jeweiligen Bundesgesetzen abweichen. Betroffen sind das Jagdwesen (ohne das Recht der Jagdscheine), der Naturschutz und die Landschaftspflege (ohne die allgemeinen Grundsätze des Naturschutzes, das Recht des Artenschutzes oder des Meeresnaturschutzes), die Bodenverteilung, die Raumordnung, der Wasserhaushalt (ohne stoff- oder anlagenbezogene Regelungen) sowie die Hochschulzulassung und die Hochschulabschlüsse.
Föderalismusreform 2006
Die am 1. September 2006 in Kraft getretene Föderalismusreform hat die Gesetzgebungszuständigkeiten von Bund und Länder neu strukturiert.
Die Neuordnung der Gesetzgebungszuständigkeiten verfolgte im Wesentlichen die Ziele:
- die Gestaltungsmöglichkeiten von Bund und Ländern zu stärken,
- die politischen Verantwortlichkeiten deutlicher zuzuordnen,
- die Verringerung von zustimmungsbedürftigen Bundesgesetzen. Dadurch sollen die Blockademöglichkeiten durch den Bundesrat reduziert werden.
- Stärkung der Stellung der BRD in der EU durch die Verbesserung der Europatauglichkeit des Grundgesetzes.
Derzeit arbeitet die Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen, die so genannte Föderalismuskommission II, an der Fortsetzung der Reform. Im zweiten Teil geht es insbesondere um Finanz- und Verwaltungsthemen.