Lena Walzer (16) aus Berlin hat ihr elftes Schuljahr mit dem Parlamentarischen Patenschafts-Programm (PPP ) im Mittleren Westen der USA verbracht. Ein wahres Abenteuer: Sie joggte über Highways, sezierte Hasen und erklärte ihren Mitschülern, dass Deutschland in Europa liegt. Ein Erfahrungsbericht.
Nach 24 Stunden im Flieger kam ich endlich in St. Louis an, der
zweitgrößten Stadt im Bundesstaat Missouri. Ich hatte
zwei Koffer dabei, mein Kontrabass musste zu Hause bleiben.
Dummerweise kam erst mal nur ein Koffer an. Am Flughafen warteten
die Gasteltern Sheila und Dave und mein 14-jähriger Gastbruder
Brett schon mit einem Schild. Sie begrüßten mich so
herzlich, dass ich mich sofort wohlfühlte. Es war Anfang
August 2007, als ich in das einstöckige Haus in einem Vorort
von St. Louis einzog. Der Sommer war so heiß, dass man es
fast nur im Swimmingpool draußen im Garten aushalten konnte.
Das Wetter in Missouri ist viel extremer als in Deutschland, im
Sommer heißer, im Winter kälter, und die Unwetter sind
heftiger.
Meine Gastmutter Sheila hatte vor sieben Jahren einen schweren
Autounfall, bei dem sie ein Bein verlor. Seitdem sitzt sie im
Rollstuhl. Trotzdem ist sie sehr lebensfroh und aktiv. Ich habe
viel mit meiner neuen Familie unternommen, wir waren im Tierpark
und auf dem Minigolfplatz. Und in den Malls, den
flughafengroßen Einkaufszentren. Ein paar Klischees stimmen
dann doch: Die Fastfood-Kultur ist genau so, wie man sie sich
vorstellt. Cola aus Ein-Liter-Trinkbechern, Kartoffelchips in der
XXL-Packung und jede Menge Burger. Zum Glück besorgte meine
Gastfamilie immer frisches Obst und Gemüse für mich. Aber
meinem Lieblingsgericht Spinat musste ich komplett entsagen.
Dafür bin ich jetzt süchtig nach Cola von Dr
Pepper.
Auch das Bild vom Amerikaner, der an seinem Autositz festgewachsen
ist, entspricht der Realität. In unserer Wohngegend gab es zum
Beispiel gar keine Bürgersteige. Als ich erfahren habe, dass
die Amerikaner nicht nur mit 16 ihren Führerschein machen,
sondern auch nur 7,50 Dollar für die Fahrprüfung
bezahlen, weil sie das Fahren mit den Eltern üben, war ich
schockiert. Meine amerikanischen Freunde dagegen konnten nicht
glauben, was der Führerschein in Deutschland kostet.
Kennengelernt habe ich meine Freunde beim Sport. In den Highschools
gibt es keine Klassenverbände, in jedem Kurs sitzen andere
Leute. Die wichtigen Gruppen sind hier die Vereine, vor allem die
Sportklubs. Und dann gibt es noch die Cheerleader, die genau so
sind, wie in den amerikanischen Highschool-Filmen. Chor und
Orchester sind auf der Beliebtheitsskala eher hinten angesiedelt.
Als leidenschaftliche Leichtathletin trat ich dem
Cross-Country-Club bei. Der Berlin-Marathon ist nichts dagegen.
Jeden Tag eine Stunde querfeldein laufen, danach Gewichte stemmen.
Auch am Wochenende war individuelles Laufen
„erwünscht”. Leider war die Umgebung meiner Schule
nicht gerade mit Natur gesegnet. Wir liefen oft an Highways
entlang, auf dem Seitenstreifen. Das war gleichzeitig eine Art
Hindernislauf, so viele totgefahrene Tiere lagen am
Straßenrand.
Protokoll: Lydia Harder
Erschienen am 13. August 2008
Was ist das PPP?
Das Parlamentarische Patenschafts- Programm (PPP) ist ein
Austauschstipendium für Schüler, junge Berufstätige
und Auszubildende zwischen dem US-Kongress und dem Deutschen
Bundestag. Schüler müssen zwischen 15 und 17 Jahre,
Berufstätige zwischen 16 und 24 Jahre alt sein. Die deutschen
und amerikanischen Teilnehmer verbringen ein Jahr im Gastland.
Bundestagsabgeordnete übernehmen die Patenschaft für die
Jugendlichen. Bundesweit stehen etwa 360 Stipendien zur
Verfügung. Bewerbungsschluss für 2009/2010 ist am 5.
September 2008. Mehr Infos zur Bewerbung unter:
www.bundestag.de/ppp