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Gültig ab: 25.07.2005 00:00
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Club der lebenden Zeitzeugen

Bild: Hedda von Wedel, Carl Ewen und Martin Holzfuß im Gespräch
Die ehemaligen Bundestags- abgeordneten Hedda von Wedel und Carl Ewen sowie der ehemalige Europaabgeordnete Martin Holzfuß im Gespräch.

Die Vereinigung ehemaliger Parlamentarier

Sie sind die Altgedienten der Politik, das lebende Gedächtnis deutscher Parlamentsgeschichte: die ehemaligen Abgeordneten, die sich in der „Vereinigung ehemaliger Mitglieder des Deutschen Bundestages und des Europäischen Parlaments e. V.“ zusammengeschlossen haben. Ihr ältestes Mitglied feierte gerade den 98. Geburtstag, der Jüngste ist erst 34 Jahre alt. Ihnen geht es nicht um Nostalgie – sie wollen ihr Wissen weitergeben und sie debattieren miteinander wie eh und je.

Wie jeder ordentliche Verein hat auch die Vereinigung ehemaliger Parlamentarier eine Satzung. Darin verschreiben sie sich der „Pflege der Gemeinsamkeit unter ehemaligen Abgeordneten“ und der „Förderung der Verbindung zwischen ihren Mitgliedern und den Abgeordneten der deutschen Landtage, des Deutschen Bundestages und des Europäischen Parlaments“. Mit der Erfahrung ihrer Mitglieder wollen die Ehemaligen „der parlamentarischen Demokratie in Deutschland dienen“.

Diese Ziele klingen nicht von ungefähr sehr „staatstragend“: Viele der Beteiligten sind ehemalige Minister, Staatssekretäre oder waren Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages. Auch Altbundespräsident Walter Scheel und die ehemalige Bundestagspräsidentin Annemarie Renger sind dabei. Jedes ehemalige Mitglied des deutschen Bundestages oder des Europäischen Parlaments kann beitreten. Voraussetzung ist nur, dass das Mandat durch Beendigung der Legislaturperiode oder Verzicht erloschen ist und dass der Kandidat niemals Mitglied einer als verfassungswidrig eingestuften Vereinigung war. Ehemalige Abgeordnete der ersten frei gewählten Volkskammer der DDR erhalten ebenso die Mitgliedschaft. Finanziert wird der Verein durch Beiträge und durch einen Zuschuss aus dem Bundestagshaushalt.

Was zunächst wie ein Nostalgieverein anmutet, ist in Wahrheit gelebte Geschichte zum Anfassen und ein Ort politischer Debatten. Die Ex-Abgeordneten beschäftigen sich auch nach ihrer aktiven Zeit im Parlament mit aktuellen Fragen und diskutieren Themen wie „Generationengerechtigkeit“, „Politik und Medien“ oder „bürgerschaftliches Engagement“.

Dialog der Generationen

Bei der diesjährigen Jahreshauptversammlung im Mai stand die EU-Krise im Mittelpunkt. „Wir Alten, die wir den Zweiten Weltkrieg erlebt haben, wissen, was ein verfeindetes Europa bedeuten kann – und wir wissen den Wert einer EU zu schätzen“, sagte die Präsidentin der Vereinigung, Prof. Ursula Lehr, in ihrer Rede.

Sie selbst war 1988 bis 1991 Bundesministerin für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit, saß danach noch bis 1994 für die CDU im Bundestag. Heute lebt die 75-jährige ehemalige Universitätsprofessorin in Bonn und denkt gar nicht daran, die Politik „Politik“ sein zu lassen. Ihr Terminplan ist randvoll.

„In der heutigen Zeit ist Generationensolidarität gefordert. Wir Alten sollten unsere Erfahrungen mit einbringen und ausgleichend wirken. Tragen wir ‚Ehemaligen’ doch zum gegenseitigen Verständnis bei, fördern wir den Dialog der Generationen.“ Ganz konkret geschieht dies zum Beispiel auf Initiative des Vizepräsidenten der Vereinigung, Prof. Uwe Holtz, bei Vorträgen, die die ehemaligen Abgeordneten in Universitäten halten und dabei auch das Gespräch mit Studentinnen und Studenten suchen.

Pro Jahr treffen sich die Mitglieder zu drei bis vier Veranstaltungen. Eine davon findet immer in Bonn statt, da die meisten der ehemaligen Abgeordneten noch in Bonner Zeiten im Bundestag saßen und der Stadt am Rhein verbunden sind. Kommen sie in Berlin zusammen, so legen sie das Wiedersehen in eine Sitzungswoche des Deutschen Bundestages, damit sie bei ihren alten Fraktionen und Kollegen vorbeischauen können. Und einmal im Jahr unternimmt der Klub eine gemeinsame Reise in eines der 16 Bundesländer.

Parteigrenzen schwinden

Einige Mitglieder pflegen regen Kontakt zu Schwesterorganisationen im Ausland, unter anderem in den USA, Irland, den Niederlanden und Dänemark. Ein weltweites Netzwerk, das viele Anregungen bietet: So plant man derzeit wie andernorts, eine vereinseigene Homepage einzurichten – eine Idee, die der Geschäftsführer der Vereinigung, Professor Nils Diederich, verfolgt.

Gegründet wurde die Vereinigung vor Beginn des Internetzeitalters, am 3. Mai 1977. Damals zählte die Organisation 16 ehemalige Parlamentarier, heute verzeichnet sie über 600 Mitglieder mehr. Am 9. September 1999 wurde die neue Geschäftsstelle in Berlin eröffnet – an historischer Stelle im früheren Reichstagspräsidentenpalais. Das Arbeitszimmer von Geschäftsführer Diederich war früher das Schlafzimmer des Reichstagspräsidenten, das jetzige Vorzimmer sein Bad.

Ganz anders als früher im Plenum und in den Ausschüssen des Bundestages gestaltet sich das Miteinander heute, im Kreise der Ehemaligen. Präsidentin Ursula Lehr sagt über die außergewöhnlich gute Atmosphäre: „Die Parteigrenzen verschwinden. Wir haben ein extrem positives Verhältnis untereinander, wie man es unter den aktiven Politikern nicht findet.“

Text: Birte Betzendahl
Foto: Jürgen Linde
Erschienen am 27. Juli 2005


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