Wohin geht man im politischen Berlin, wenn man zum Arbeitsfrühstück verabredet ist, wenn zwischen Ausschuss- und Bundestagssitzung ein wichtiges Mittagessen ansteht oder am Abend das Hintergrundgespräch mit Journalisten terminiert ist? Für die meisten Abgeordneten bedeutet diese Frage keine „Qual der Wahl“ mehr. Denn in der Hauptstadt gibt es mittlerweile ein feines Netz von Treffpunkten und Lokalitäten. Ob zum vertraulichen Tête-à-Tête oder zum offenen Meinungsaustausch – für jede Gelegenheit findet sich in und um das Parlamentsviertel der richtige Ort.
Beliebt zum Frühstück ist etwa das „Café Einstein“ Unter den Linden. Zentral gelegen am Prachtboulevard im Herzen der Hauptstadt und ein Treffpunkt für viele, die in Berlin Politik machen oder über Politik berichten. Nicht nur, weil der Cappuccino, die Croissants oder die selbst gemachte Marillenmarmelade hervorragend schmecken. Im „Einstein“ kann man zu jeder Tageszeit pralles Hauptstadtleben und Öffentlichkeit suchen und finden – oder auch Vertrauliches besprechen. Oder beides zugleich. Bis in den Abend ist das „Einstein“ ein beliebter Treff. Wer allerdings eher ungestört abseits des Boulevardtrubels frühstücken möchte, den zieht es in das „Käfer-Restaurant“ im Reichstagsgebäude.
Mittags gelten das „Borchardts“ und „Lutter & Wegener“ – beide nur wenige Schritte vom Gendarmenmarkt entfernt – als beliebte Adressen. Man sitzt dicht bei dicht an den eng aneinander stehenden Tischen – Gespräche bleiben da nicht immer geheim. Macht nichts – Angela Merkel, Otto Schily, Wolfgang Schäuble, Klaus Wowereit, Springer-Chef Michael Döpfner und andere, die in der Berliner Republik Rang und Namen haben, kommen gern hierher. Ähnliches gilt für „Lutter & Wegener“, der gemütlichen Mischung aus Weinstube und Brasserie mit den berühmten Wiener Schnitzeln gleich um die Ecke.
Berliner Küche oder Pasta
Beliebt bei Politikern und Journalisten ist auch das „Theodor Tucher“ am Brandenburger Tor. Benannt nach dem gleichnamigen Literaten und Lebemann werden hier vor Bücherwänden und Zeitungsständern Gerichte nach Berliner Rezepten serviert. Bisweilen finden auch Lesungen im Salon statt. Etwas weiter weg vom Parlamentsviertel, im Haus der Tageszeitung „taz“ und neben dem Springer- Hochhaus gelegen, befindet sich der Italiener „Sale e Tabacchi“, wo nicht nur die taz-Redaktion beim Mittagstisch sitzt, sondern wo man sich auch bei hausgemachter Pasta zum Hintergrundgespräch treffen kann.
Bleibt noch der „Honigmond“ in der Tieckstraße in Berlin-Mitte zu erwähnen, in dem häufig bündnisgrüne Politiker und Mitglieder der„Spiegel“-Redaktion gesichtet werden. Bereits zu DDR-Zeiten gab es das „Honigmond“ – damals trafen sich hier viele Oppositionelle, Kirchenleute und Künstler wie Wolf Biermann und Nina Hagen.
Für den Abend sind der Italiener „Il Punto“ gleich neben dem Brandenburger Tor (Wirt Guiseppe Perna kennt viele Abgeordnete noch aus Bonner Zeiten) und das „Bocca di Bacco“ in der Friedrichstraße gefragte Treffpunkte. Als dritter Italiener reiht sich das Café „Schwarzenraben“ in Mitte ein, das sich abends in ein Restaurant verwandelt, das vor allem bei Film- und Kunstinteressierten angesagt ist.
Das Italienische scheint nicht nur den Genießern der mittlerweile legendären „Toskana-Fraktion“ der Linken – an der Spitze Exkanzler Gerhard Schröder und Exaußenminister Joschka Fischer – zu liegen. Auch Liberale und Unionsleute schätzen die gepflegten Restaurants mit ihrem diskreten Charme.
Die große Koalition lässt grüßen
Dann ist da natürlich die „Parlamentarische Gesellschaft“ im ehemaligen Reichstagspräsidenten-Palais. In den Räumen der „PG“, wie die Abgeordneten ihren Club abkürzen, kann man in gediegener Atmosphäre speisen und entspannen. Hier haben nur Mitglieder und Gäste Zutritt, Diskretion wird groß geschrieben. Dies gilt auch und vor allem für die Bar im Keller, in der „Ossi“ die Gäste bedient. Ossi ist kein Ostdeutscher, sondern der Südtiroler Osvaldo Cempellin, der hier schon mehr als 33 Jahre hinter dem Tresen steht und der wahrscheinlich mehr über die Berliner Politik weiß als der findigste Journalist. Nur verraten tut er nichts. Wie ein Arzt hält er sich eisern an die „Schweigepflicht“. Er trägt inzwischen sogar die Medaille des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland.
Wer sich unters Volk mischen möchte, geht in die inmitten des Parlamentsviertels liegende Reinhardtstraße. Im „Cinque“ ist fast immer etwas los, die FDP hat den Italiener schräg gegenüber ihrer Parteizentrale zum Stammlokal erkoren. Und im „Piccolo“, einst die Politkneipe der „Linken“ mit Fotos von Willy Brandt und Michail Gorbatschow an den Wänden, fühlt sich inzwischen sogar Angela Merkel wohl. Die Große Koalition lässt grüßen.
Apropos große Koalition: In allen Fraktionen steht, meist zu später Stunde, manchmal ein besonderes Gericht hoch im Kurs: die Currywurst. Es gibt zwei Currywurst-Lager: Das eine favorisiert Konopke in der Schönhauser Allee, das andere schwört auf die Wurst vom Kuhdamm 195. Zumindest wenn es um „die Wurst“ geht, sind also überfraktionelle Allianzen durchaus an der Tagesordnung.
Text: Sönke Petersen
Fotos: Anke Jacob, Picture-Alliance
Erschienen am 8. Mai 2006
Käfer-Restaurant im
Reichstagsgebäude
Das Dachgartenrestaurant östlich der Kuppel mit Blick auf das
historische Berlin hat täglich von 9 bis 16.30 Uhr und von
18.30 bis 24 Uhr geöffnet.
Der Zugang für Gäste, die bereits reserviert haben,
erfolgt über den Eingang rechts unterhalb des Westportals
(West C).
Platzreservierungen sind möglich unter:
Tel. (0 30) 22 62 99 33 oder
E-Mail:
kaeferreservierung.berlin@feinkost-kaefer.de