Der Bundestagspräsident hat eine Fülle von Aufgaben. Als Repräsentant des gesamten Parlaments leitet er nicht nur die Plenarsitzungen,das Präsidium und den Ältestenrat, sondern hat den Bundestag auch bei zahlreichen Anlässen nach außen zu vertreten, nicht nur bei „Staatsbesuchen“ von ausländischen Gästen in Berlin. Gleichzeitig ist er nach der Geschäftsordnung „oberste Dienstbehörde der Bundestagsbeamten“.
Gesetzgebungskunst
Norbert Lammert, der als Abgeordneter ja
auch noch Mitglied der CDU/CSU-Fraktion ist, hat wieder einmal eine
dichte Terminliste. Heute leitet er am Morgen die Plenardebatte,
anschließend hat er im Reichstagsgebäude den
Wissenschaftspreis des Bundestages zu verleihen. Die Auszeichnung
geht an den Rechtshistoriker Bernd Mertens von der Uni
Erlangen-Nürnberg für das Werk „Gesetzgebungskunst
im Zeitalter der Kodifikationen“. Lammert dankt der Jury,
dass sie ein besonders gut lesbares Werk ausgesucht habe, was nicht
für jede juristische Literatur gelte. Hier gelte es sogar
für die Fußnoten. Er empfiehlt das 549 Seiten starke
Buch zur Lektüre. Es handele von der „spannenden Frage
nach der Verständlichkeit der Gesetze“. Ihm gefalle aber
allein schon der Titel mit dem Wort
„Gesetzgebungskunst“.
Dass dieser Titel keine Zustandsbeschreibung, sondern eher eine
Aufforderung an den Gesetzgeber ist, erläutert die scheidende
Vorsitzende der Jury, die Historikerin Prof. Marie-Luise Recker.
Noch deutlicher wird Jurymitglied Ulrich Karpen, Rechtsprofessor
aus Hamburg: „Wir haben zu viele und zu schlechte
Gesetze.“ Er zitiert Bismarck: „Wer weiß, wie
Gesetze und Würste zustande kommen, kann nachts nicht mehr
ruhig schlafen.“
Neben dem Wissenschaftspreis vergibt der Bundestag auch einen
Medienpreis. Robert Birnbaum, Parlamentsreporter des Berliner
Tagesspiegel, wird Mitte Januar ausgezeichnet. Er hat sich in einem
Essay der „Dynamik eines parlamentarischen
Untersuchungsausschusses“ gewidmet.
Stilvoller Abschied
Einen Tag später hat Lammert eine Aufgabe als oberster Dienstherr zu erfüllen. Ministerialdirektor Friedhelm Maier wird — zwei Tage nach seinem 65. Geburtstag — in den Ruhestand verabschiedet. Er und seine Frau Inge Maier-Sauerborn haben viele Hände zu schütteln. Neben den Präsidiumsmitgliedern Gerda Hasselfeldt, Susanne Kastner und Wolfgang Thierse sind zahlreiche frühere und aktive Mitarbeiter des Bundestages gekommen und auch Annemarie Renger, die erste Frau im Amt des Bundestagspräsidenten. Für sie hatte Maier 1972 gearbeitet. Lammert dankt Maier für seine Arbeit und sagt, es sei guter Stil, jemanden, der so lange und in so herausgehobener Position für den Bundestag tätig gewesen sei, nicht unauffällig in den Ruhestand verschwinden zu lassen.
Seelenverwandtschaft
Als oberster Repräsentant des
Bundestages hat der Präsident auch die Kontakte zu den Medien
zu pflegen. Auf dem schon traditionellen Presseempfang kurz vor der
Jahreswende geht Lammert unter Hinweis auf neuere Untersuchungen
auf die Seelenverwandtschaft von Politikern und Journalisten ein.
Beide seien gestresst, aber überwiegend zufrieden. Der
Präsident fühlt sich auch von den Medienleuten
„ganz überwiegend gut behandelt“.
Guido Heinen, Leiter des Bereichs Presse und Kommunikation des
Bundestages, rührt an diesem Abend die Werbetrommel für
die Zeitung „Das Parlament“, die „optisch ein
neues Gesicht und inhaltlich ein neues Format“ erhalten und
Informationen verschiedener Quellen aus dem Bundestag bündeln
soll. Es sei orientiert an den heutigen Lesegewohnheiten und
arbeite mit modernen Layoutelementen. „Künftig wird ?Das
Parlament? tatsächlich wie eine Zeitung gegliedert sein, mit
klassischen Ressorts, mit Stücken über Menschen im
Parlament und in der Politik und mit möglichst vielen Texten,
die das politische Geschehen aus der Nähe
abbilden.“
Ironische Pfeile
Das Amt des Bundestagspräsidenten
erlaubt seinem Inhaber auch ab und an Anlässe, die mit seinen
persönlichen Vorlieben in Einklang stehen. Lammert, der gern
liest, schreibt, musiziert und der auch schon einmal die Berliner
Philharmoniker dirigieren durfte, hat den gerade 70 gewordenen Wolf
Biermann zu einem Heinrich-Heine-Abend in die Halle des
Paul-Löbe-Hauses eingeladen. Der Abend biete eine Gelegenheit,
zwei Dichtern den Dank eines schwierigen Vaterlandes auszusprechen,
dem sie so oft die Leviten gelesen haben.
Biermann freut sich, „dass Sie mich hergezottelt
haben“, und bringt dem Publikum, Abgeordneten, Journalisten,
Bundestagsmitarbeitern den zu Lebzeiten in Deutschland vielfach
angefeindeten Heinrich Heine nahe. Biermann wäre aber nicht
Biermann, wenn er nicht einige ironische Pfeile auf den Dichter
abschießen würde. So habe der sich in einem Brief an den
bayerischen König um eine Stelle am Hof beworben. Heine habe
Beamter werden wollen. Vom Gastgeber will Biermann dann wissen:
„Herr Lammert, sind Sie Beamter?“. Die spontane Antwort
lautet: „Um Himmelswillen.“ Zwar ist er nicht Beamter,
weiß aber die Unterstützung durch seine Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter in der Bundestagsverwaltung sehr zu
schätzen.
Text: Klaus Lantermann
Fotos: Deutscher Bundestag, Picture-Alliance/dpa
Erschienen am 31. Januar 2007