Wer war’s? fragt BLICKPUNKT BUNDESTAG und lädt Sie ein, Persönlichkeiten der Parlamentsgeschichte wieder zu begegnen. In jeder Ausgabe stellen wir jeweils ein Mitglied des Bundestages vor, das in der Geschichte Deutschlands eine bedeutende Rolle gespielt hat. Sein Name wird nicht genannt. Lüften Sie sein Inkognito und gewinnen Sie eine Reise für zwei Personen nach Berlin.
Redlich, selbstlos, streng, pflichtbewusst,
vor allem mutig nannten ihn seine Zeitgenossen. Er selbst sagte:
„Die Kardinalsünde
eines Politikers ist die Feigheit.“
Diesem Leitsatz getreu geht er seinen geraden Weg. Zum Beispiel
Anfang der 50er Jahre, als der evangelische Theologe sich
zunächst weigert, dem Ruf seiner Landeskirche zur
Rückkehr in seine Heimat zu folgen. Denn der gebürtige
Sachse hat sich während seines Studiums im Westen eingelebt
und politische Freunde in der Gesamtdeutschen Volkspartei von
Gustav Heinemann gefunden, auch er ein politischer Querkopf.
Schließlich geht unser Kandidat doch in die DDR und kehrt
erst 1990 als Bundestagsabgeordneter in den Westen zurück.
Auch in dieser Funktion scheut er nie das offene Wort und den
Konflikt mit den eigenen Leuten.
Der 1929 am Rande der Sächsischen Schweiz geborene Sohn eines
Verwaltungssekretärs kommt als Kind nach Dresden, erlebt dort
die Bombennächte und den Untergang der Stadt. Nach Studium und
Promotion arbeitet er als Gemeindepfarrer, später als
Kirchenhistoriker. Schon früh macht er in der
Oppositionsbewegung der DDR mit. Er inspiriert mit seinen Ideen die
Bürgergruppe Demokratie Jetzt, die dem Sozialismus
„seine eigentliche, demokratische Gestalt“ geben
möchte. Gegen den Strom sprechen er und seine Mitstreiter sich
für den Fortbestand der DDR in einer Konföderation mit
der Bundesrepublik aus.
Als Mitbegründer des „Runden Tischs“ und Minister
der Übergangsregierung erwirbt er durch seine Standfestigkeit
Anerkennung, die weit über die Grenzen seiner Gruppe
hinausreicht. Er warnt vor einer gezielten Destabilisierung der DDR
durch die Bundesregierung und einer währungspolitischen
Vereinnahmung der DDR. Doch der Mehrheit der Menschen im zweiten
deutschen Staat sind diese Vorstellungen fremd. Bei der
Volkskammerwahl im März 1990, der ersten freien Wahl in der
DDR, gibt es eine Abfuhr für das Bündnis 90, wozu sich
Demokratie Jetzt mit zwei weiteren Bürgerrechtsgruppen
zusammengeschlossen hatte. Unser Kandidat erobert in Dresden eines
der insgesamt nur elf Mandate und gehört nach der Vereinigung
der beiden deutschen Staaten zu den 144 Abgeordneten der
Volkskammer, die in den Deutschen Bundestag entsandt werden.
Bei der ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl im Dezember 1990
kandidiert er auf der sächsischen Landesliste von Bündnis
90/Die Grünen, schafft auch — als eines von lediglich
acht Mitgliedern dieser neu gebildeten politischen Formation
— den Sprung ins Bonner Parlament. Als Mitglied der
Verfassungskommission sorgt er für Schlagzeilen, weil er in
der Präambel des Grundgesetzes den Bezug auf Gott streichen
will, um damit eine „sinnvolle Rückbesinnung zum echten
Christentum ohne Machtmonopol“ zu bewirken. Auch seinem oft
als Gerichtshof für die DDR-Vergangenheit missverstandenen
Projekt, dem „Tribunal zur Aufarbeitung der
Geschichte“, wird kein Erfolg zuteil. Er aber versteht es
„als eine Art Wahrheitskommission“, wie die
Journalistin Regina General erläutert. Sie betont: „Alle
Seiten sollten mit Argumenten Absichten erklären, Tun
begründen, Gedachtes ein- oder ausräumen, sich auf diese
Weise aufeinander zu bewegen.“
Er verzichtet 1994 auf eine erneute Kandidatur für den
Bundestag und wird ins Europäische Parlament gewählt.
1999 zieht er sich aus der Parteipolitik zurück, kämpft
aber mit der Feder für seine Ideale einer „gerechten,
solidarischen und selbstbestimmten
Bürgergesellschaft.“
Der Mann, der nie darüber klagt, dass er zu Hause seine blinde
Frau zu versorgen hat, liebt die Welt der Bücher. Der
Schriftsteller Christoph Hein erinnert sich: „Stets trug er
eine Tasche mit Büchern bei sich, manchmal zeigte er stolz
eine bibliophile Kostbarkeit, die er gerade erworben hatte, ein
Wörterbuch, eine uralte Kirchengeschichte.“
Er stirbt 2004 im selben Jahr wie seine Frau, kurz vor seinem 75.
Geburtstag.
Wer war’s?
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Einsendeschluss: 21. Februar 2007.
Unter den richtigen Einsendungen werden fünf Preise verlost.
Der Hauptgewinn ist eine Reise für zwei Personen nach
Berlin.
Die Lösung unseres Rätsels in Heft 6/06 lautet:
Herbert Wehner.
Eine Reise nach Berlin hat Gerhard Kroppen aus Hennef
gewonnen.
Foto: Picture-Alliance
Erschienen am 31. Januar 2007