Geron Tannewitz klappt die
Sichtblenden auf dem Dach des Infomobils hoch
© DBT/studio kohlmeier
Das Infomobil des Bundestages
Geron Tannewitz bringt den Deutschen
Bundestag überall hin. So kommt man rum, sagt er, und lernt
Leute kennen.
An diesem Morgen brennt die Sonne heiß auf das etwas
fußballmüde Wittlich. Die kleine Stadt, nahe Bitburg in
der Eifel gelegen, war in der Nacht laut. Nun ist es still.
Deutschland hat das erste Spiel bei der Fußball-EM
gewonnen.
Geron Tannewitz sitzt früh am Morgen in einem kleinen Hotel am
Marktplatz beim Frühstück. Fußball hin oder her, er
muss zeitig raus, um das Infomobil des Deutschen Bundestages zu
einer gastlichen Einrichtung umzubauen, so dass es ab neun Uhr
aussieht wie ein großes „Herzlich Willkommen”
für all die Neugierigen und Fragelustigen der Stadt.
Geron Tannewitz, Jahrgang 1955, ein ruhiger Mann, mit zwei rechten
Händen gesegnet, technischem Verstand und handwerklichem
Geschick, gehört seit acht Jahren zum Team des mobilen
Bundestages. Er fährt den Truck, baut auf, baut ab und
kümmert sich sozusagen um die Details, damit die freien
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Referates
Öffentlichkeitsarbeit ihre Arbeit gut machen können. Die
Firma, bei der Geron Tannewitz angestellt ist, hat sich darauf
spezialisiert, „Showtrucks” jeder Art und für
viele Zwecke zu liefern und zu fahren. Der für den Deutschen
Bundestag hat die Größe M. Sieht aber aus wie XXL.
Auf dem Parkplatz in Wittlich wirkt der mobile Bundestag wie ein
weißer Monolith. 16,50 Meter lang, vier Meter hoch und 2,50
Meter breit — unmöglich, den zu übersehen. Man
fragt sich, wie der Fahrer es geschafft hat, ihn da zu platzieren
— die Wittlicher Straßen sind keine Magistralen. Geron
Tannewitz erzählt später, dass es in den ganzen Jahren
nur einmal wirklich eng geworden ist. „Das war in Solingen,
und der liebe Gott ließ es regnen wie
verrückt.”
Nach der Diskussion: Schulkinder vor
dem Infomobil
© DBT/studio kohlmeier
Passende Straßen und einen Standort für das schicke
Ungetüm zu finden, ist Aufgabe des Scouts, der vorher alles
klären muss, was zu regeln ist, bevor sich so ein fahrbarer
Bundestag auf den Weg macht. Es braucht Genehmigungen von der
Stadt, Strom muss da sein, und die Leute am Ort sollten Bescheid
wissen. Dafür geht der Scout in die Schulen, kündigt das
Kommen an, und oft ist es dann so, dass sich ganze Schulklassen
für einen Besuch anmelden. In diesen Tagen fällt die
Aufgabe Michael Kresin zu, freier Mitarbeiter beim Referat
Öffentlichkeitsarbeit des Bundestages. Gemeinsam mit Adil
Al-Jubouri und Anna Pulcher stellt er das Infoteam, dem es obliegt,
Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen zu erzählen, was der
Deutsche Bundestag ist, wie Abgeordnete arbeiten, wie Gesetze
gemacht werden, wie Demokratie funktioniert.
Aber bevor das getan werden kann, ist Geron Tannewitz der Mann der
Stunde. Er baut die überdachte Bühne am Truck auf,
während die anderen drinnen Stühle aufstellen,
Infomaterial auspacken, Luftballons und Gummibärchen suchen
und finden, die Bildschirme für die Präsentationen
testen. Geron Tannewitz legt die eisernen Treppen an die Bühne
und montiert die Auffahrt für behinderte Gäste. Auf dem
Parkplatz finden sich erste Neugierige ein. Michael Kresin bringt
die Bistrotische raus für alle, die in der Sonne reden und
lesen wollen, und legt eine große Fußmatte vor die
eiserne Treppe. Ein Ehepaar bleibt vor dem Truck stehen. „Wir
können anfangen”, sagt der Mann und lacht, „ich
bin da.”
Geron Tannewitz steigt an der Frontseite des Trucks eine Leiter
hoch und dem Deutschen Bundestag aufs Dach. Er klappt Sichtblenden
hoch. Auf der ersten steht „Bundestag” und auf der
zweiten „Der Deutsche”. Wenn man es von unten anschaut,
stimmt die Reihenfolge aber. Geron Tannewitz läuft der
Schweiß. In ein paar Minuten kommt die erste Schulklasse.
Alles kein Problem, aber schnell muss es schon gehen.
Wenn man in zwei Wahlperioden mit dem fahrenden Bundestag durch
alle 299 Wahlkreise des Landes tourt, ist zwar kein Tag wie der
andere, aber Routine, die gibt es schon. Vor allem eben beim Auf-
und Abbau. Manche Jungs, die mit ihren Schulklassen kommen, sehen
aus, als würden sie den Truck gern mal genauer beschauen, so
aus technischer Sicht. Das kann Geron Tannewitz verstehen. Die
Zugmaschine kann mit einigen Parametern aufwarten, die
beeindruckend sind. 440 PS sind ja nicht wenig. Und heutzutage
verfügt so ein Gefährt über sehr intelligente
Lösungen für Sicherheit und Komfort: Reifenwächter,
Zentralschmierung, Spurassistent, Abstandswarner, acht Gänge.
„Halbiert 16”, sagt Geron Tannewitz, und man wagt gar
nicht zu fragen, was damit gemeint ist. „Kommt man besser
bergauf”, schiebt der Mann hinterher und lächelt.
Anpacken und aufbauen, bevor die
ersten Gäste zum Infomobil kommen: Geron Tannewitz in
Wittlich
© DBT/studio kohlmeier
Der gelernte Eisenbahnbautechniker und gestandene Berufskraftfahrer
kommt aus Kamenz in Sachsen und lebt heute in Bielefeld. Im Winter,
wenn der Bundestagstruck nicht fährt, ist Geron Tannewitz oft
mit einem Weihnachtstruck unterwegs, einem dieser Teile, die immer
aus-sehen, als transportierten sie den Weihnachtsmann samt
Rentierschlitten. Jetzt aber ist Sommer, und übermorgen geht
es von Wittlich nach Bad Neuenahr. Ab Juli dann beginnt die
alljährliche Ferientour. Start in Baden-Baden, Ziel in
Dresden. Zwischen Aufbau und Abbau hat Geron Tannewitz oft Zeit
sich anzuhören wie die Diskussionen mit den Besucherinnen und
Besuchern des Infomobils laufen. „Hängt davon ab, was
gerade so los ist. Manchmal geht es da ganz schön hoch her bei
den Diskussionen.”
Geron Tannewitz ist gern unterwegs, und er liebt diesen Job. Mit
dem Bundestagsmobil unterwegs zu sein, ist — cool,
würden die Schülerinnen und Schüler wahrscheinlich
sagen. Von denen kommen heute einige und gehen nach einer Stunde
klüger nach Hause. Am Nachmittag wird die Abgeordnete Ulrike
Höfken von Bündnis 90/Die Grünen erwartet.
„Mein Opa ist eh nur für die CDU”, sagt ein
Mädchen, das vor dem Aufsteller steht, der die Politikerin
ankündigt. „Da kann man nichts machen”, schiebt es
hinterher, nimmt sich eine blaue Bundestagstasche und entschwindet
wieder.
Um zehn an diesem Morgen, nachdem Geron Tannewitz auch noch einen
defekten Bildschirm zum Laufen bringen konnte, hat die erste
Schulklasse schon ihre Fortbildung in Sachen Demokratie hinter
sich. Geron Tannewitz geht sich umziehen. Bis der Infotruck heute
Abend schließt, wird kaum noch körperlich schwere Arbeit
nötig sein. Aber: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel.
In der Innenstadt werten indessen kleine Grüppchen den
gestrigen Sieg bei der Fußball-EM noch einmal aus. Ganz
Mutige reden davon, dass man den Titel holen könne.
Bekanntlich ist diese Geschichte dann etwas anders ausgegangen.
Jetzt haben die Wittlicher zwei Jahre Ruhe vom Fußball.
Mindestens.
Text: Kathrin Gerlof
Erschienen am 13. August 2008