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Informationen über dieses Dokument: Seitentitel: Elite oder Niete?
Gültig ab: 26.02.2004 00:00
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Elite oder Niete?

Thomas Rachel (l.) und Jörg Tauss
Thomas Rachel (l.) und Jörg Tauss.

Im Gespräch: Thomas Rachel . . .
Im Gespräch: Thomas Rachel . . .

. . . und Jörg Tauss
. . . und Jörg Tauss.

Bildungsoffensive

Mit ihrer Innovationsoffensive und dem Ruf nach Eliteuniversitäten hat die SPD eine neue bildungs- und forschungspolitische Debatte ausgelöst. Keine Frage: Deutschland muss besser werden – aber heißt es künftig nur noch: Elite oder Niete? Darüber führte BLICKPUNKT BUNDESTAG ein Streitgespräch mit dem bildungs- und forschungspolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Jörg Tauss und mit Thomas Rachel, Obmann der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für Forschung und Bildung.

Blickpunkt: Herr Tauss, Ihre SPD war bislang nicht gerade ein Freund von Eliten. Warum jetzt der Ruf nach Eliteuniversitäten und Spitzenausbildung?

Jörg Tauss: Wir haben nie etwas gegen Spitze und Exzellenz gehabt. Allerdings muss man den Begriff Elite hinterfragen: Wodurch rechtfertigt sich Elite? Ist es die Elite, die aus Papas Geldbeutel resultiert? Damit hätte ich weiterhin ein Problem. Deshalb rede ich lieber von Spitze und Exzellenz.

Thomas Rachel: Keine Frage: Wir brauchen Eliten, und zwar in allen gesellschaftlichen Bereichen, in der Wirtschaft, im Sport, im kulturellen Bereich und natürlich auch in der Wissenschaft. Elite heißt für uns Christdemokraten eindeutig Leistungselite. Das sind Menschen, die Erstklassiges leisten und deshalb auch besonders gefördert werden müssen, um die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes zu verbessern.

Blickpunkt: Ist der Ruf nach einer neuen Bildungselite nicht unglaubwürdig, solange sich die Politik gegenüber den Universitäten eher stiefmütterlich verhält: marode Gebäude, überfüllte Hörsäle, zu wenig Professoren?

Tauss: Also bitte nicht alles schlecht reden. Bund und Länder haben in den letzten Jahren Erhebliches geleistet für die Universitäten. Aber richtig ist, dass wir uns jetzt nicht um die Spitze kümmern dürfen und dabei die Breite vernachlässigen. Es ist wie im Fußball: Aus der Breite erwächst die Spitze. Und die brauchen wir angesichts der internationalen Konkurrenz. Wenn wir sie nicht selbst bekommen, müssen wir sie im Ausland einkaufen. Aber das dürfen wir nicht, weil das Ausländergesetz dagegen steht. Also: Es besteht Handlungsbedarf.

Blickpunkt: Nochmals nachgefragt: Was sagt man Studenten, die heute unter schwierigen Bedingungen studieren müssen, wenn plötzlich Geld für Eliteuniversitäten da ist?

Rachel: Dass die SPD-Vorschläge keine Substanz haben und wenig durchdacht sind. Wir brauchen strukturelle Reformen in der Breite und keine vereinzelten Eliteuniversitäten. Die ganze Debatte erscheint mir eine Plazebodiskussion zu sein. Jahrzehntelang hat die SPD Leistung verteufelt; wenn sie jetzt plötzlich für Elite ist, will sie nur von ihren Versäumnissen ablenken.

Tauss: Was Herr Rachel da sagt, ist falsch und unsinnig. Zumal die CDU vieles von dem, was wir an Reformen initiiert haben, bis hin zur Besoldungs- und Dienstrechtreform, in den von ihr regierten Ländern schlicht nicht umsetzt. Da liegt das Problem. Es kann nicht sein, dass der Bund immer mehr Geld in Bildung und Forschung investiert und die Länder das dann konterkarieren.

Blickpunkt: Macht, wer Elite fordert, den dritten Schritt vor dem ersten? Bräuchten wir nicht vorrangig bessere Kindergärten, Schulen, ein schnelleres Abitur?

Tauss: Selbstverständlich. Es wäre fatal, wenn wir die Dinge gegeneinander ausspielten. Wir müssen und werden in der Breite – wo wir zum Beispiel besser sind als die USA – weiter gut bleiben. Unser Problem ist, dass wir keine besondere Leuchtkraft an der Spitze haben – etwa was Nobelpreisträger anbelangt. Wir haben viele sehr gut ausgebildete Leute, aber an der Spitze müssen wir noch nachlegen.

Rachel: Richtig. Wir brauchen beides. Die Nobelpreisträger von morgen sind ja heute schon in den Kindergärten und Schulen. Wir brauchen ein Gesamtkonzept, eine Bildungsoffensive, die in den Kindergärten anfängt, ein höheres Leistungsniveau in der Breite an den Schulen garantiert, aber auch die Hochschulen nicht vernachlässigt. Es ist eine Schande, dass die Bundesregierung den Luftballon steigen lässt, Eliteuniversitäten zu fördern, gleichzeitig aber 135 Millionen Euro beim Hochschulbau kürzt.

Blickpunkt: Bildungsministerin Edelgard Bulmahn will durch einen Wettbewerb („Brain up!“) künftige Spitzenuniversitäten ermitteln und diese mit jeweils 250 Millionen Euro in fünf Jahren fördern. Ein richtiger Ansatz?

Tauss: Ich finde, ja. Es macht keinen Sinn, eine Universität auf der grünen Wiese neu zu errichten und dann zu sagen: Das ist jetzt unsere deutsche Spitzenuniversität. Leistung und Exzellenz müssen sich im Wettbewerb erweisen. Deswegen sagen wir: Wir wollen diesen Wettbewerb mit zusätzlichen Mitteln initiieren. 50 Millionen Euro pro Jahr und Universität ist doch ein Wort.

Blickpunkt: Stünden wir heute nicht schon besser da, wenn es an den Hochschulen mehr Wettbewerb und Eigenverantwortung gäbe, wenn sie wie Unternehmen und nicht wie nachgeordnete Behörden agieren könnten?

Rachel: Völlig richtig. In diese Richtung muss es gehen. Das Preisausschreiben für Eliteuniversitäten erinnert eher an „Deutschland sucht den Superstar“. Jetzt suchen wir die Superuniversität. Auf dem Niveau befinden wir uns. Das lenkt nur ab von den eigentlichen Problemen. Und die heißen: Die Hochschulen brauchen Autonomie, ein Globalbudget, das Recht, Professoren und Studenten selbst auszuwählen und Studiengebühren zu verlangen. Überdies muss die Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) abgeschafft werden. Also: Wir brauchen Freiheit für das System und kein neues Korsett. Wettbewerb: ja, aber nicht zwischen den Körperschaften der Universitäten, sondern zwischen den Fachbereichen und Professoren. Denn dort werden mögliche Nobelpreisträger geboren.

Tauss: Deshalb wollen wir ja gerade den Wettbewerb. Wir wollen die besten Konzepte fördern. Im Übrigen wehre ich mich dagegen, so zu tun, als ob alles vom Bund geregelt werden kann. Vieles könnten die Universitäten schon heute selbst regeln. Und vieles ist Ländersache – zum Beispiel auch die ZVS. Also nicht immer mit dem Finger auf den Bund zeigen. Was die ZVS anbelangt, bin ich für eine Reform, nicht aber für eine Totalabschaffung. Die Universitäten wären mit ihren knappen Ressourcen völlig überfordert, jetzt Hunderttausende von Menschen zu prüfen.

Blickpunkt: Setzt der Ruf nach Spitzenhochschulen eine neue Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern voraus?

Tauss: Viele Länder wollen keinerlei Bundeszuständigkeit mehr im Hochschul- und Bildungsbereich. Das hielte ich für einen völlig verkehrten Weg in den Provinzialismus. Leider schließt sich dem die CDU/CSU-Fraktion an. Sogar das Bafög soll auf die Länder verteilt werden. Das ist völliger Unfug! Bildung ist eine nationale Aufgabe, und deshalb müssen wir weiter dafür sorgen, dass die Bundespolitik mit Verantwortung übernehmen kann.

Rachel: Sie geben die Position der CDU/CSU-Fraktion falsch wieder. Natürlich gibt es Interessenskonflikte zwischen Bund und Ländern, im Übrigen parteiübergreifend. Ich meine aber, dass es aus einer Gesamtüberlegung heraus eine Gemeinsamkeit auf wichtigen Feldern geben muss. So hat sich die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern beim Hochschulbau durchaus bewährt. Was nicht geht, ist, dass Spitzenforschung, wie Frau Bulmahn es will, an den Bund geht, und die Länder sich auf Bau und Verwaltung der Hochschulen konzentrieren. Wir müssen im Gegenteil stärker zusammenführen und vernetzen. Wenn der Bund für das eine und die Länder für das andere zuständig sind, bekommen wir eine Trennung. Und das heißt Qualitäts- und Niveauverlust.

Das Gespräch führte Sönke Petersen.
Fotos: Phalanx

Reden Sie mit beim Thema "Bildungsoffensive":
Jörg Tauss, SPD: joerg.tauss@bundestag.de
Thomas Rachel, CDU/CSU: thomas.rachel@bundestag.de
Redaktion: blickpunkt@media-consulta.com


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