Wären Volksentscheide auf
Bundesebene ein Gewinn oder ein Risiko für die
Demokratie?
Standpunkte der
Bundestagsfraktionen
Parteien |
Standpunkte |
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Volksentscheide kennen meist nur ein einfaches „Ja”
oder „Nein” als Antwort. Dies wird den zentralen, oft
hoch komplexen Fragen in unserer Gesellschaft nicht gerecht.
Außerdem ist bei Volksentscheiden kein Platz für das,
was ein wichtiges Element für Stabilität und Einheit in
der Demokratie ist: das Ringen um den möglichst gerechten
Kompromiss zwischen unterschiedlichen Interessen unter Einbeziehung
auch benachteiligter Gruppen.
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Die SPD unterstützt Volksentscheide auf Bundesebene seit
Langem. Im Wahlmanifest zur Bundestagswahl 2005 stand: „Wir
brauchen mehr direkte Demokratie und damit den
Volksentscheid.” Im Koalitionsvertrag konnte leider nur
vereinbart werden, die Einführung von Elementen der direkten
Demokratie zu prüfen. Die CDU/CSU-Fraktion hält bis jetzt
an ihrer Ablehnung fest, weshalb das Vorhaben in dieser Wahlperiode
zum Scheitern verurteilt war.
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Volksentscheide auf Bundesebene sind kein Risiko für die
Demokratie, sondern ein Zeichen gelebter Demokratie. Deshalb setzen
wir uns für Bürgerentscheide, Bürgerbegehren und
Bürgerbefragungen auf Landes- und auch auf Bundesebene ein.
Diese Forderung haben wir auch in dem gerade in Hannover
beschlossenen Deutschlandprogramm der FDP (
www.deutschlandprogramm.de) zur Bundestagswahl
bekräftigt.
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Mehr Demokratie, mehr direkte Demokratie auch auf Bundesebene,
wäre eine sinnvolle Ergänzung der parlamentarischen
Repräsentanz und damit ein Gewinn. Es wäre übrigens
auch ein probates Mittel gegen den zunehmenden Demokratieverdruss
allenthalben. Zumal: Demokratieverdruss ist ein gefährliches
Einfallstor für rechtsextremistische Kameraden mit ihren
menschenfeindlichen Parolen. Auch deshalb: „Mehr Demokratie
wagen!”.
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Volksentscheide wären ein bedeutender Gewinn für die
Demokratie. Die Bürgerinnen und Bürger hätten
stärker an den Entscheidungen des Gemeinwesens Anteil. Ein
aktives Auftreten in demokratischen Entscheidungsprozessen
stärkt die Demokratie insgesamt und hilft, auch unangenehme
Ergebnisse zu akzeptieren. Volksentscheide auf Länderebene
zeigen das. Deshalb brauchen wir die direkte Demokratie auch im
Bund.
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Reicht es
aus, den Wählerwillen alle vier Jahre durch Wahlen zu
ermitteln? Oder sollten die Bürger auch zwischendurch befragt
werden?
Standpunkte der
Bundestagsfraktionen
Parteien |
Standpunkte |
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Die Bürger bringen über die Stimmabgabe am Wahltag
hinaus ihren Willen in unserem föderalen System auf
vielfältige Weise zum Ausdruck: etwa bei Befragungen sowie
durch Bürgerinitiativen und Bürgerentscheide auf Landes-
und Kommunalebene. Wichtige Entscheidungen auf Bundesebene lassen
sich aber nur durch intensive politische Diskussion mit allen
Beteiligten fällen, nicht durch ein einfaches „Ja”
oder „Nein”.
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In unserem Hamburger Parteiprogramm von 2007 haben wir
bekräftigt: „Der Verbindung von aktivierendem Staat und
aktiver Zivilgesellschaft dient auch die direkte Mitsprache der
Bürgerinnen und Bürger durch Volksbegehren und
Volksentscheide. In gesetzlich festzulegenden Grenzen sollen sie
die parlamentarische Demokratie ergänzen, und zwar nicht nur
in Gemeinden und Ländern, sondern auch im Bund.”
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Die FDP bekennt sich zur repräsentativen Demokratie. Sie
will diese aber um Elemente der direkten Demokratie bereichern. Der
Bürger muss sich stärker an Entscheidungen beteiligen
können. Durch mehr direkte Beteiligungsmöglichkeiten
werden Wege für mehr Demokratie eröffnet.
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In Artikel 20 (2) Grundgesetz heißt es:
„Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in
Wahlen und Abstimmungen (…) ausgeübt.” Wahlen
wurden in der Bundesrepublik Deutschland von Beginn an
ermöglicht, Abstimmungen auf Bundesebene aber stehen noch
immer nur auf dem Papier. In dieser Frage ist Deutschland leider
noch immer ein EU-Entwicklungsland. Das
beißt sich mit den Jubelreden „60 Jahre
Grundgesetz”.
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Die Wählerinnen und Wähler sollten in die politische
Entscheidungsfindung einbezogen werden, wenn sie diese für
wichtig halten und sich zum Beispiel über eine Volksinitiative
dazu selbst konstruktiv zu Wort melden. Die Politik sollte sich
nicht nachträglich Zustimmung über Einzelbefragungen
einholen. Direkte Demokratie muss vielmehr eine feste zweite
Säule der Gesetzgebung werden.
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Artikel
Erschienen am 29. Juni 2009