Die außenpolitischen Beziehungen des
Deutschen Bundestages zu den Parlamenten auswärtiger Staaten
werden derzeit von 53 bi- und multilateralen Parlamentariergruppen,
einschließlich des Freundeskreises Berlin-Taipei, gepflegt.
Ihr Ziel ist es, einen kontinuierlichen Dialog mit den nationalen
Parlamenten eines oder mehrerer Partnerstaaten zu führen. In
erster Linie geht es dabei um den Informations- und
Meinungsaustausch mit Parlamentariern, daneben bestehen aber auch
Kontakte zu Regierungsvertretern und Repräsentanten der
Zivilgesellschaft. Dabei bieten sich zahlreiche Gelegenheiten,
unterschiedliche Sichtweisen auszutauschen und voneinander zu
lernen. Neben der Förderung parlamentarisch demokratischer
Strukturen spielen die Stärkung der Menschenrechte, die
Mitwirkung bei der Bewältigung von Krisen und die
parlamentarische Kontrolle der Außenpolitik der
Bundesregierung eine besondere Rolle.
Struktur
Parlamentariergruppen sind interfraktionelle Zusammenschlüsse
ohne eigene Satzung oder Geschäftsordnung. Es können nur
Abgeordnete Mitglied sein, und zwar in maximal fünf
Parlamentariergruppen. Die Mitgliedschaft spiegelt ein besonderes
Interesse an den Beziehungen zu den jeweiligen Partnerstaaten
wider. Oft sind bereits bestehende persönliche Kontakte, ein
besonderer außenpolitischer Arbeitsschwerpunkt, die Nähe
des Wahlkreises zur Staatsgrenze oder im Wahlkreis bestehende
wirtschaftliche und kulturelle Beziehungen in den Partnerstaat
ausschlaggebend für die Entscheidung zur Mitgliedschaft in
einer bestimmten Parlamentariergruppe. Zu Beginn einer jeden
Wahlperiode werden die Parlamentariergruppen durch das
Präsidium neu konstituiert. Dabei werden Gesamtzahl und
Struktur der Parlamentariergruppen vom Ältestenrat festgelegt.
Die Verteilung der Vorsitze erfolgt unter Berücksichtigung des
Stärkeverhältnisses der Fraktionen. Daneben können
die Fraktionen, denen nicht der Vorsitz einer Gruppe zufällt,
ein Vorstandsmitglied benennen.
Historie
Die Bildung von Parlamentariergruppen geht auf die Initiative der
Interparlamentarischen Union (IPU) zurück, in der Deutschland
seit 1951 vertreten ist. Mit den in den Parlamenten der
IPU-Mitgliedstaaten bestehenden Parlamentariergruppen sollten die
halbjährlich stattfindenden interparlamentarischen Konferenzen
der IPU um bilaterale Gesprächsmöglichkeiten ergänzt
werden. Die ersten Parlamentariergruppen des Deutschen Bundestages
wurden in der 3. Wahlperiode (1957 - 1961) gegründet. Dazu
zählten Gruppen für parlamentarische Beziehungen zu
Afrika, Frankreich, Großbritannien, Italien und Japan. Die
Zahl der Parlamentariergruppen ist mit zunehmendem Interesse der
Mitglieder des Deutschen Bundestages an außenpolitischen
Themen in den vergangenen Wahlperioden stetig gestiegen. Aufgrund
geopolitischer Entwicklungen hat sich auch die Zusammensetzung der
Parlamentariergruppen verändert. Aus politischen
Erwägungen wurden Staaten in multilateralen
Parlamentariergruppen zusammengefasst oder neue Gruppen
gegründet. Aus den 28 Parlamentariergruppen in der 10.
Wahlperiode sind mittlerweile in der 16. Wahlperiode 53
Parlamentariergruppen und ein Länderbeauftragter als
Ansprechpartner für die Republik Moldau, zu der es keine
Parlamentariergruppe gibt, geworden.
Aufgaben und Aktivitäten
Die Mitglieder der Parlamentariergruppen sind bestrebt,
möglichst häufig mit den Abgeordneten der Partnerstaaten
zusammenzutreffen, um Themen und Probleme zu erörtern, die im
beiderseitigen Interesse liegen. Auf diese Weise werden auch
deutsche Positionen erläutert und vermittelt. Als Ergebnis
solcher Begegnungen fließen die Erfahrungen anderer
Parlamente in die Arbeit der deutschen Abgeordneten ein, werden
aber nur selten unmittelbar sichtbar, da politische Entscheidungen
noch von vielen anderen Faktoren beeinflusst werden. Die
Parlamentariergruppen treffen sich außerdem zu
Mitgliederversammlungen, Vorträgen und Gesprächen
über die politische Situation im Partnerstaat. Die
Zusammenarbeit mit den diplomatischen Vertretungen in Berlin gibt
den Abgeordneten eine weitere Möglichkeit zur
Information.
Die Parlamentariergruppen haben die Möglichkeit, einmal pro
Legislaturperiode Abgeordnete aus einem Partnerparlament nach
Deutschland einzuladen und eine Delegationsreise in den
Partnerstaat zu unternehmen. Diese Begegnungen tragen zum besseren
gegenseitigen Verständnis sowie zur Vertiefung der bestehenden
Kontakte bei und zeichnen sich fast immer durch eine sehr offene
und unbefangene Gesprächsatmosphäre aus. Mitglieder der
Parlamentariergruppen müssen weniger Rücksicht auf
internationale diplomatische Zwänge nehmen als
Regierungsvertreter und können ihre Standpunkte auch in
schwierigen Kontexten und bei politisch sensiblen Themen, wie zum
Beispiel Menschenrechte, deutlich formulieren. Ferner steht ihnen
meist ein breites Spektrum von Gesprächspartnern zur
Verfügung, zu dem auch die örtlichen Vertreter der
politischen Stiftungen und die Kooperationspartner aus dem Bereich
der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit gehören.
Die Mitglieder der Parlamentariergruppen sind Ansprechpartner
für eine Vielzahl ausländischer Besucher des Deutschen
Bundestages aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und
Medien, die sich über die politische Lage in Deutschland oder
das deutsche parlamentarische System und die Arbeit des Deutschen
Bundestages unterrichten wollen. Insbesondere für Staaten, die
am Anfang ihrer demokratischen Entwicklung stehen, sind die
Erfahrungen in Deutschland sehr hilfreich. Die interfraktionelle
Zusammensetzung der Parlamentariergruppen ist dabei ein wichtiges
Symbol gelebter demokratischer Umgangsformen und gibt
Parlamentariern junger Demokratien ein anschauliches Beispiel
für ausgewogene Standpunktvertretung und sachliche
Auseinandersetzung mit Andersdenkenden. Begegnungen mit
Oppositionellen stärken zudem die demokratischen Kräfte
in den Partnerstaaten. Parlamentariergruppen können auch
Beiträge zu Konfliktlösungen leisten, indem sie den
Vertretern der Konfliktparteien Gelegenheit zu gemeinsamen
Gesprächen auf neutralem Boden bzw. unter unparteiischer
Moderation bieten.
Kontakt
Die Parlamentariergruppen haben kein eigenes Budget und können
daher keine Stipendien vergeben oder Zuschüsse für
humanitäre Initiativen bereitstellen. Auch ist es nicht
möglich, für Dritte Recherchen durchzuführen und
Informationsmaterial zusammenzustellen. Selbstverständlich
sind die Vorstände der Parlamentariergruppen aber stets an
relevanten aktuellen Informationen über ihre Partnerstaaten
interessiert. Entsprechende Zuschriften sollten unmittelbar an die
Mitglieder der Vorstände gerichtet werden (Name des
Abgeordneten, Deutscher Bundestag, Platz der Republik 1, 11011
Berlin). Das Sekretariat der Parlamentariergruppen im Referat WI 3,
das die Arbeit der Parlamentariergruppen betreut, steht für
Auskünfte gerne zur Verfügung:
Deutscher Bundestag - Verwaltung - Referat WI 3, Platz der
Republik 1, 11011 Berlin
E-Mail:
parlamentariergruppen@bundestag.de