Hamburg
Die SPD an der Alster steckt in der Krise. Ein Ausweg ist nicht in Sicht.
Die Hamburger SPD ist in eine tiefe Krise gestürzt. Nachdem am 27. März der gesamte Landesvorstand nach erbittert geführten Auseinandersetzungen um die Spitzenkandidatur zur Bürgerschaftswahl im März 2008 geschlossen zurückgetreten ist, muss die Partei nun einen Neuanfang machen -und das schnell.
Vor dem Rücktritt war eine Mitgliederbefragung, die Aufschluss über den Rückhalt des inzwischen nur noch kommissarischen Parteichefs Mathias Petersen bei der Basis geben sollte, in einem Eklat geendet. Der Grund: Ein spektakulärer Raub von 1.000 Briefwahlstimmen aus einer verschlossenen Urne in der Parteizentrale, dem Kurt-Schumacher-Haus. Mutmaßlich in der Nacht wurden die Zettel gestohlen. Bislang fehlt von ihnen jede Spur, die Polizei fahndet nach den Tätern. Als das aufflog, entschied sich der Landesvorstand, die Stimmenauszählung abzubrechen. Die Folge: Weder Mathias Petersen, seit zweieinhalb Jahren Landesvorsitzender, noch seine Herausforderin Dorothee Stapelfeldt, die von Petersen-Kritikern im Landesvorstand in Stellung gebracht worden war, konnten als Sieger aus der Befragung hervorgehen.
In der SPD wird vermutet, dass genau dies die Absicht der Manipulateure gewesen sein muss. Parteichef Petersen, der um jeden Preis Hamburger Bürgermeister werden will und wegen fragwürdiger Vorstöße - wie der Forderung nach Einrichtung einer Internet-Seite mit Namen und Adressen von Sexualtätern - mag dennoch seine Ambitionen nicht fahren lassen.
Nachdem er nachts die übrigen Stimmzettel doch noch auszählen ließ, sieht er sich durch den Umstand bestärkt, das er die Wahl auf jeden Fall gewonnen hätte. Mit dieser Aktion allerdings hat Petersen einen anderslautenden Beschluss des Landesvorstands ignoriert, der den Urnengang wiederholen lassen wollte. Das Stapelfeldt-Lager ist angesichts des formal ungültigen Ergebnisses ohnehin nicht bereit, Petersens Anspruch zu billigen.
Die Bundespartei ist angesichts der völlig verhärteten Fronten alarmiert. Auch ein Bliztbesuch von Generalsekretär Hubertus Heil konnte die Situation nicht retten. Damit ist in der Hamburger SPD ein Jahr vor der Wahl nun nicht nur der Posten des Landeschefs neu zu vergeben, man fahndet auch wieder nach einem Herausforderer von Ole von Beust. Zentrale Bedingung: Er oder sie muss in der Lage sein, Gräben wieder zuzuschütten.
Die erste Sitzung der Findungskommission, in der neben Petersen und Stapelfeldt auch die Kreischefs sitzen, endete ohne Ergebnis. Bis zum Parteitag am 24. März muss ein Name her. Immer mehr Genossen sind der Ansicht, dass nur ein Mann sie noch aus der prekären Situation retten kann: Henning Voscherau.
32 Prozent der SPD-Wähler wünschen sich ein Comeback des Altbürgermeisters, der sich in Schweigen hüllt, aber immer damit geliebäugelt hatte, nochmal zurückzukehren. Petersen indes vermeidet tunlichst, von einem "Verzicht" auf die Spitzenkandidatur zu sprechen. Er will sich noch ein Hintertürchen offenhalten, bastelt aber an einem Deal mit seinem Vertrauten Voscherau.
Das mögliche Szenario: Der Altbürgermeister gewinnt die Wahl 2008, tritt nach der Hälfte der Legislaturperiode ab - und Petersen folgt ihm nach. Doch dafür müsste die SPD in der Gunst der Hamburger noch zulegen: Einer neuen Umfrage zufolge liegt die Partei nach dem Eklat nur noch bei 31 Prozent.