Fast 26 Jahre nach seiner Einführung ist das Transsexuellengesetz (TSG) dringend reformbedürftig. In dieser Feststellung waren sich die Fraktionen des Bundestages und verschiedene Experten am 28. Februar bei einer öffentlichen Anhörung des Innenausschusses einig. Die Sachverständigen äußerten sich zu einem Gesetzentwurf zur Reform des TSG der Grünen ( 16/4148 ) und zwei Anträgen der Grünen ( 16/947 ) und der Liberalen ( 16/2016 ).
In seinem Statement wies Manfred Bruns vom Lesben- und Schwulenverband in Deutschland darauf hin, dass sich das Bundesverfassungsgericht seit dem Inkrafttreten des TSG am 1. Januar 1981 in fünf Entscheidungen mit dem Gesetz befasst und Änderungen angemahnt habe. Eines der Urteile enthalte eine Frist bis zum 30. Juni 2006, innerhalb derer der Gesetzgeber eine verfassungsgemäße Neuregelung zur Personenstandsänderung treffen müsse. "Es muss sich endlich was tun", so Bruns.
In ihrem Gesetzentwurf schlagen die Grünen unter anderem vor, dass eine Vornamensänderung Transsexueller nicht mehr davon abhängig ist, dass die Betroffenen wie bisher "seit mindestens drei Jahren" unter dem Zwang stehen, in einer ihrem Empfinden entsprechenden Geschlechtsrolle zu leben, sondern dass es genügt, wenn sich die Person "dem anderen Geschlecht als zugehörig empfindet". Eine Reform des TSG sei nötig, weil viele seiner Regelungen nicht mehr dem "heutigen wissenschaftlichen Kenntnisstand" entsprächen. Ziel der Reform sei es, die Grundrechte Transsexueller "in vollem Umfang" zu verwirklichen, indem "die tatsächliche Vielfalt von Identitäten akzeptiert" werde, anstatt transsexuelle Menschen in "vorgegebene Raster zu pressen" und ihnen so das Leben zu erschweren.
Die Rechtsanwältin Deborah Reinert bemängelte, der Gesetzentwurf der Grünen berücksichtige die Forderungen nicht, die die Interessenvertreter der Transsexuellen seit Jahren äußerten. Fraglich sei, ob man sich darauf beschränken solle, das TSG entsprechend der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zu reformieren, wie es die Grünen planten, oder ob es nicht auch weitergehende Möglichkeiten gebe. Die "wohl radikalste Reform" des TSG wäre seine Abschaffung, so Reinert. Es sei "durchaus möglich", die Normen des Transsexuellenrechts in bereits existierende Spezialgesetze wie das Namensgesetz und das Personenstandsgesetz zu integrieren.
Heribert Schmitz, der Vertreter des Innenministeriums, und Konstanze Plett von der Universität Bremen wiesen darauf hin, dass der Gesetzentwurf der Grünen vorsehe, Ehelosigkeit nicht mehr zur Voraussetzung für eine Änderung der Geschlechtszugehörigkeit zu machen. Das würde Transsexuellen die Möglichkeit einräumen, eine bestehende Ehe in eine Lebenspartnerschaft und umgekehrt umzuwandeln. Es sei, so Plett, "unzumutbar", wenn "Menschen, die an ihrer Beziehung festhalten wollen, in eine Trennung gezwungen werden". Plett regte an, es sei auch denkbar, dass eine Person "Mann und Frau sein könnte". Gegen die von ihr bevorzugte Möglichkeit, in Passdokumenten "das Geschlecht als Kategorie zu streichen", sprächen allerdings internationale Vereinbarungen. Der Vertreter des Justizministeriums, Thomas Meyer, gab zu bedenken, dass bei einer möglichen Umwandlung einer Ehe in eine Lebenspartnerschaft "Partnerschaften erster und zweiter Klasse" entstehen könnten.
Der Sachverständige Christian Schenk wies darauf hin, dass Erleichterungen bei der Änderung der Geschlechtszugehörigkeit schon deshalb unproblematisch seien, weil es keinerlei Fälle geben, in denen dies missbräuchlich oder leichtfertig geschehen sei. Viele Betroffene seien aufgrund ihrer Entscheidung einem immensen Druck ausgesetzt. "Niemand macht das zum Spaß." Dennoch sei der Gesetzentwurf der Grünen eine "Enttäuschung", so Schenk.