Es gibt Menschen, die sind mit 50 immer noch von Beruf Sohn. Dieses Phänomen findet sich nicht nur in den Königshäusern dieser Welt, sondern auch in Familienunternehmen. Für Heinrich Kolb gilt das allerdings nicht. "Der frühe Tod meines Vaters, für die Familie ein schwerer Schicksalsschlag, war für meinen Bruder und mich gleichzeitig auch eine Chance", sagt Kolb, sozialpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion und früherer Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft. Der 51-Jährige leitet in Südhessen zusammen mit seinem Bruder ein über 100 Jahre altes mittelständisches Familienunternehmen, das Zulieferteile aus Metall herstellt. Als der Vater starb, war er erst 24 Jahre alt, der fünf Jahre jüngere Bruder noch im Abitur. "Meine Mutter und Großmutter haben damals ihr Vertrauen in uns gesetzt."Nicht nur in der Politik, auch im eigenen Unternehmen arbeitet er gerne strategisch: "Ich habe schon als Kind mit Begeisterung neue Strecken auf unserer Modelleisenbahn gebaut. Und mein Bruder hat Spaß daran gehabt, die Züge fahren zu lassen."
Heinrich Kolb ist einer der wenigen Bundestagsabgeordneten, die neben ihrem Mandat noch berufstätig sind. In die Politik ist Kolb bereits vor 20 Jahren gekommen, weil er sich über einen Bescheid der Stadtverwaltung aufgeregt hatte, der sein Unternehmen mit einem Schlag 60.000 DM an Anliegerbeiträgen kosten sollte. "Damals habe ich erkannt, dass man sich als Unternehmer in die Politik einmischen muss", erzählt der studierte Wirtschaftsingenieur. Und auch heute ist es noch so, dass "der Unternehmer in mir den Politiker beflügelt", sagt er und nennt als Beispiel die kürzlich beschlossene Vorverlegung des Fälligkeitstermines für die Sozialversicherungsbeiträge. Im Plenum beschrieb er aus eigener Anschauung, was es für einen Unternehmer bedeutet, wenn diese bereits am drittletzten Werktag des Kalendermonats abgeführt werden müssen. "Das ist für den Mittelstand jede Menge Bürokratie, gepaart mit einem Liquiditätsentzug von mehr als 20 Milliarden Euro pro Jahr", rechnet Kolb kühl vor. Und man weiß, dass dies jemand sagt, der Buchhaltung nicht nur als Thema einer Vorlesung kennen gelernt hat.
Doch das Denken von Heinrich Kolb lässt sich nicht auf die Kategorien Kosten, Investitionen und Bilanzen reduzieren. Sie sind Mittel zum Zweck. Ihm geht es um Ideen. So hat er in die festgefahrene Debatte um die Rente mit 67 einen eigenen Vorschlag eingebracht, nach dem künftige Rentengenerationen flexibel ab 60 in Rente gehen und dabei mit unbegrenzten Zuverdiensten ihren Lebensstandard sichern können. Natürlich, so räumt er ein, sei ein solches Konzept kein Selbstläufer. Dann sagt er verschmitzt: "Ich musste mich immer gegen Widerstände durchsetzen. Und das Konzept ist urliberal, weil es Spielraum für eine individuelle Entscheidung schafft, genau das gefällt mir daran." Liberal zu sein, ist für Heinrich Kolb nicht nur ein Denkmodell. Es ist sein Leben. Anders als sein Urgroßvater stehen Heinrich Kolb und sein Bruder nicht mehr mit dem Hammer in der Hand am Amboss. Aber das, was sie durch ihre Arbeit als Lektion gelernt haben, ist: "Jeder ist seines Glückes Schmied." Dazu gehört für Kolb auch Eigenständigkeit im Denken. Eines seiner Kinder - er hat drei - hat sich darüber aufgeregt, dass zugunsten der Aufstockung der Krippenplätze die Erhöhung des Kindergeldes ausgesetzt werden solle. "Da musst du dagegen sein", hat der Neunjährige seinen Vater aufgefordert. "Die Spontaneität und Unabhängigkeit faszinieren mich an Kindern. Erwachsene verlieren diese oft im Laufe ihres Lebens."
Und die Opposition? Entwickelt sie neue Konzepte? In formalen Dingen könne er sich auf die Obleute der Linken und der Grünen - er selbst ist Obmann seiner Fraktion im Ausschuss für Arbeit und Soziales - prima verlassen. Inhaltlich kämen die drei Oppositionsparteien jedoch nicht zusammen, weil ihr Politikansatz so unterschiedlich sei: "Das ist nun mal so", sagt er nüchtern, so als würde er den Markt für lasergeschnittene Blechteile oder Sandstrahlarbeiten analysieren. Er findet: "Jeder muss sein eigenes Schaufenster dekorieren." Das gilt für die Demokratie genauso wie für die Marktwirtschaft.