Die Deutschen
Alte Thesen psychoanalytisch aufbereitet
Nein, neu klingt das alles nicht: Wir Deutschen sind verzagt, depressiv, neigen zum Lamentieren und Selbstmitleid. "Wir sind uns selbst im Wege, wir behindern uns, stolpern über unsere eigenen Füße." Hier fehlen nur noch die bekannten Worte von Altbundespräsident Roman Herzog: "Es muss ein Ruck durch Deutschland gehen." Doch bevor ein solcher Satz zu vernehmen ist, darf sich der deutsche Leser erst einmal bei Klaus-Uwe Adam auf die Couch legen. Das heißt, eigentlich liegt er zusammen mit 82 Millionen Landsleuten eher auf der Couch des Schweizer Psychiaters und Psychotherapeuten C.G. Jung, auf den sich sein nachgeborener Berufskollege beruft und nach dessen Lehre vom "kollektiven Unbewussten" er die Deutschen analysiert.
Immerhin, allein die Flut von Titeln über die unglücklich vereinten Jammer-Ossis und Jammer-Wessis könnte als Beweis für die These von den Gemütskranken zwischen Rhein und Oder gelten.
Die Belege, die Adam für seine Psychoanalyse zusammengetragen hat, reichen von nachvollziehbar bis reichlich absurd. Und so ist bei der Lektüre Vorsicht geboten: Selbst der Optimistischste darf sich nicht wundern, wenn er beim Lesen selbst in die Depression verfällt. Da schützt auch kein Migrationshintergrund, denn Adam dia-gnostiziert, dass trotz aller Integrationsschwierigkeiten auch Ausländer in das "bestehende psychische Feld" assimiliert werden. Das besteht nämlich schon sehr lang und zeigt sich äußerst renitent.
So spannt Adam einen Bogen von den alten Germanen über den 30-jährigen Krieg und Friedrich den Großen bis zum Holocaust. Wohin man blickt herrschen Dunkelheit, Vaterkomplexe, Fatalismus, Weltuntergangsstimmung, Untertanenkult, Mord und Totschlag. Die deutsche Seele scheint in einer einzigen großen mythologischen Gotenschlacht gefangen.
Über einen Zeitraum von 15 Jahren sei das Buch in ihm gereift, schreibt Adam in seinem Vorwort. Er hätte es schneller schreiben sollen. In den Monaten vor Fertigstellung des Werkes, so räumt der Autor ein, habe er "hoffnunsgvolle Zeichen" entdeckt. Konkret meint er die Bilder eines ausgelassen feiernden Volkes während der Fußballweltmeisterschaft, das nicht länger seiner patriotischen Gefühle verstecken mag.
Vielleicht feierte im Sommer 2006 eine junge Generation auch deshalb so ausgelassen, um von Büchern verschont zu bleiben, in denen sie kollektiv auf der Couch analysiert werden.
Die Psyche der Deutschen. Wie wir denken, fühlen und handeln.
Patmos Verlag, Düsseldorf 2007; 259 S., 19,90 ¤