UNTERNEHMENSTEUERREFORM
Das Vorzeigeprojekt der Großen Koalition soll das Land für Investoren attraktiver machen. Doch für die Opposition steckt es voller handwerklicher Fehler.
Von den hinteren Plätzen ins europäische Mittelfeld: Mit der Senkung der Steuerlast für Unternehmen wird aus Deutschland ein attraktiverer Standort für Investitionen. Diese Botschaft haben Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) und die Finanzpolitiker der Großen Koalition am 25. Mai im Bundestag gleich mehrfach verkündet. Denn die Unternehmensteuerreform ( 16/4841 , 16/5377 ) ist eines der Glanzlichter des Koalitionsvertrags von Union und SPD. Ein Glanzlicht auf Abruf allerdings, wenn man Oppositionspolitikern glauben darf, die baldigen Änderungsbedarf vorhersehen - nach dem Motto: "Nach der Reform ist vor der Reform."
Von 557 Abgeordneten folgten 391 der Empfehlung des Finanzausschusses ( 16/5452 , 16/5491 ), die Gesetzesvorlage in geänderter Fassung anzunehmen. Neben 149 Nein-Stimmen gab es 17 Enthaltungen. Die Opposition stimmte dem Reformwerk nicht zu. Anträge der Grünen ( 16/4310 , 16/4855 ) und der Linken ( 16/5249 ) dazu wurden abgelehnt, ein weitere Antrag der Linken ( 16/4857 ) für erledigt erklärt.
Die wichtigsten Änderungen: Die Unternehmen werden ab 2008 jährlich um brutto 30 Milliarden Euro entlastet. Dem steht der Wegfall von steuerlichen Vergünstigungen im Umfang von 25 Milliarden Euro gegenüber, so dass dem Staat Mindereinnahmen von 5 Milliarden Euro verbleiben. Mit der Senkung des Körperschaftsteuersatzes von 25 auf 15 Prozent soll international ein Signal gesetzt werden, dass Deutschland nicht länger ein Hochsteuerland ist. Damit sinkt die steuerliche Belastung von Kapitalgesellschaften bei einem angenommenen Gewerbesteuer-Hebesatz von 400 Prozent von knapp 39 auf unter 30 Prozent.
Damit auch Personengesellschaften profitieren, wird für sie eine "Thesaurierungsbegünstigung" eingeführt, wonach im Unternehmen verbleibende ("thesaurierte") Gewinne mit dem ermäßigten Satz von 28,25 Prozent plus Solidaritätszuschlag besteuert werden. Die spätere Gewinnentnahme muss nachversteuert werden, sodass die Gesamtbelastung bei 48,33 Prozent. liegt. Damit nähert sich die Steuerlast von Personengesellschaften aus Sicht der Koalition derjenigen der Kapitalgesellschaften an.
Unternehmen mit einem Betriebsvermögen bis zu 235.000 Euro können einen Investitionsabzugsbetrag von bis zu 200.000 Euro nutzen. Für die Investition steht ein Zeitraum von maximal drei Jahren zur Verfügung. Für Joachim Poß (SPD) sind damit die Bedürfnisse des Mittelstandes in dem Gesetzes berücksichtigt.
Zentrales Element der Gegenfinanzierung ist die "Zinsschranke". Sie soll Gestaltungen verhindern, die dazu führen, dass in Deutschland erwirtschaftete Gewinne im Ausland versteuert werden, etwa indem durch überhöhte Fremdfinanzierungen Zinskosten entstehen, die den zu versteuernden Gewinn schmälern. Über einer Freigrenze von einer Million Euro kann nur noch ein Teil des Zinsaufwands gewinnmindernd abgezogen werden. Der Finanzausschuss hat die Wirkungen dieses Instruments insofern abgeschwächt, als die Ausgangsgröße für den Abzug der Zinsaufwendungen um die Abschreibungen erweitert wird (EBITDA statt EBIT). Die bisherige Wertgrenze für die Sofortabschreibung geringfügiger Wirtschaftsgüter wird von jetzt 410 Euro auf 150 Euro gesenkt, für Anschaffungen zwischen 150 Euro und 1.000 Euro muss künftig ein Sammelposten gebildet werden.
In die Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer werden Zinsen sowie die Finanzierungsanteile an Mieten, Pachten, Leasingraten und Lizenzgebühren einbezogen, was die Gewerbesteuer als zentrale Finanzquelle der Kommunen stärken soll. Weitere Einschränkungen betreffen Funktionsverlagerungen von Unternehmen ins Ausland. Es soll verhindert werden, dass Steueraufkommen mit abwandert. Auch beim so genannten Mantelkauf wird die Möglichkeit, durch den Anteilserwerb Verlustvorträge nutzen zu können, begrenzt. Im Jahr 2009 wird schließlich die 25-prozentige Abgeltungsteuer auf Zinsen, Dividenden und private Gewinne aus Aktienverkäufen eingeführt. Verluste aus Aktienverkäufen können nur noch mit Gewinnen aus Aktienverkäufen, nicht aber mit anderen Kapitalerträgen verrechnet werden.
Der Bundestag nahm einen Entschließungsantrag der Koalition ( 16/5480 ) an und lehnte einen weiteren der FDP (16/5481 ) ab. Die Koalition stellt einen Zusammenhang her zwischen der Unternehmensteuerreform und der Reform der Erbschaftsteuer, die den Ländern zufließt. Das jetzige Erbschaftsteueraufkommen der Länder soll erhalten bleiben. Die FDP formulierte in ihrer Initiative ihre Kritik am Gesetz, das Hermann Otto Solms in der Debatte als "Murks" bezeichnete. Lediglich der Tarifsenkung bei der Körperschaftsteuer stimme man zu. Forschungsintensive junge Unternehmen zahlten die Zeche: "Das werden Sie noch bitter bereuen", sagte er. Oskar Lafontaine (Die Linke) sprach von einem Milliardensegen für Großkonzerne. Christine Scheel von den Grünen listete "enorme Mängel" des Gesetzes auf und prophezeite, dass es in zwei bis drei Jahren weitere Reformen geben werde. Michael Meister (CDU/CSU) kündigte selbst an: "Wir wollen zeitnah evaluieren, ob wir das Richtige tun."