BETRIEBSRENTE
Ginge es nach der EU-Kommission sollte sie übertragen werden können. Doch das Europaparlament spach sich jetzt dagegen aus.
Seinen Spottnamen hatte der Vorschlag der EU-Kommission schnell weg: als "Job-Hopper-Richtlinie" verhöhnten Kritiker die in Brüssel geborene Idee, Betriebsrenten bei einem Firmenwechsel mitwandern zu lassen, und das sogar über Grenzen hinweg.
Der massive Widerstand vor allem aus der Wirtschaft zeigte Wirkung, die Arbeits- und Sozialminister der EU rückten von der so genannten Portabilität der Renten ab. Auch andere Elemente des Pakets, das Europa Mindeststandards für Zusatzrenten bescheren soll, wurden abgeschwächt. Zwar wurde auch dieser Kompromiss der deutschen Ratspräsidentschaft im Ministerrat blockiert. Doch das Europaparlament will das umstrittene Dossier nicht kampflos aufgeben. In erster Lesung machten sich die Abgeordneten jetzt für mehr Rechte der Arbeitnehmer stark und fordern von den EU-Regierungen eine schnelle Lösung.
Die zusätzliche Altersversorgung gewinne immer mehr an Bedeutung und müsse daher EU-weit gültigen Standards unterliegen, argumentiert das Straßburger Parlament. Mit Blick auch auf die wachsende Zahl befristeter Arbeitsverhältnisse stimmte die Mehrheit der 785 Abgeordneten für eine Reihe von Maßnahmen, die vor allen jungen Menschen und Firmenwechslern größere Rechte sichern sollen.
Künftig sollen danach alle Beschäftigten in der EU schon vom 25. Geburtstag uneingeschränkt Anspruch auf Betriebsrente haben dürfen. Das heißt, die bisher meist üblichen Wartezeiten, die so genannten Unverfallbarkeitsfristen, würden der Vergangenheit angehören. Lediglich Mitarbeiter, die jünger als 25 sind, müssten fünf Jahre lang einem Betrieb die Treue halten. Bisher liegt in Deutschland das Mindestalter grundsätzlich bei 30, die Unverfallbarkeit bei fünf Jahren. Luxemburg verlangt gar eine Wartefrist von zehn Jahren.
Das sei dem gegenwärtigen Arbeitsmarkt nicht mehr angemessen, meint die SPD-Abgeordnete Karin Jöns. "Man kann nicht von Arbeitnehmern verlangen, immer flexibler zu sein, und sie gleichzeitig auffordern, mehr für die eigene Altervorsorge zu tun, ohne ihnen hierzu überhaupt die Chance zu geben." Jeder fünfte Beschäftigte erhalte in Deutschland nur noch einen befristeten Arbeitsvertrag, 40 Prozent blieben weniger als fünf Jahre in einem Betrieb.
Doch ausgerechnet an der Frage, ob die Portabilitäts-Richtlinie überhaupt grundsätzlich sinnvoll ist, scheiden sich die Geister: Während sich Befürworter wie Jöns eine Gleichberechtigung flexibler Arbeitnehmer versprechen, sehen Gegner genau darin ein Argument gegen das Dossier. "Die betriebliche Altersversorgung soll doch gerade die Betriebstreue belohnen", argumentiert der sozialpolitische Sprecher der CDU/CSU-Gruppe im Parlament, Thomas Mann. Unternehmen leisteten schließlich die freiwilligen Abgaben nur deshalb, damit sich ihre Mitarbeiter eben nicht weg bewerben. Die Straßburger Abstimmung sieht Mann daher als "schweren Schlag für das deutsche Betriebsrentensystem und Bärendienst". Die hohen Mehrkosten für die Firmen - Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt hatte sie auf 30 Prozent veranschlagt - könnten viele Firmen nämlich ganz zum Rückzug aus dem freiwilligen Angebot bewegen. Auch die Bundesvereinigung deutscher Arbeitgeberverbände (BDA) kritisiert das Parlamentsvotum scharf und nennt die Richtlinie "insgesamt absolut unnötig und kontraproduktiv".
Den Grünen im EU-Parlament wiederum geht die Richtlinie nach derzeitiger Fassung nicht weit genug. Weil der Vorschlag die Übertragbarkeit der Betriebsrenten bei einem Berufswechsel nicht mehr nenne, sei er untragbar, meint Elisabeth Schroedter, die für die Partei im EP-Beschäftigungsausschuss sitzt. In Deutschland ist die Übertragbarkeit von Betriebsrenten allerdings bereits gesetzlich garantiert, wenn auch nur für jene Systeme, die auf Pensionsrückstellungen beruhen. Das Angebot betrieblicher Altersvorsorge ist in Europa sehr unterschiedlich.
In den Niederlanden beispielsweise erhalten neun von zehn Beschäftigten Betriebsrenten, im EU-Schnitt sind es nur zehn Prozent. In Deutschland profitiert jeder dritte Arbeitnehmer von einer betrieblichen Altersvorsorge, die angesparten Ansprüche betragen etwa 350 Milliarden Euro.
Allerdings ist ohnehin fraglich, ob es je zu einer Einigung kommt. Denn die für die Richtlinie im Ministerrat erforderliche Einstimmigkeit wurde bisher stets blockiert, zuletzt von den Niederlanden. Denn Sozialminister Piet Hein Donner bereitete die Forderung große Sorgen, dass ruhende Rentenansprüche "fair angepasst" werden sollen. Zudem gibt es weitere Streitpunkte. So verweigern die EU-Staaten eine Anwendung der Richtlinie auf den Altbestand der Rentenverträge, doch auch dagegen hat das Europaparlament angestimmt. Mindeststandards sollten künftig rückwirkend gelten, heißt es in dem Richtlinien-Vorschlag des Parlaments.
EU-Sozialkommissar Vladimir Spidla will all die unterschiedlichen Positionen noch vor der Sommerpause in einem überarbeiteten Entwurf zusammenbringen - auch wenn einige Stimmen aus dem Parlament ein endgültiges Aus fordern. "Die Richtlinie darf nicht als unlösbares Problem von Präsidentschaft zu Präsidentschaft verschoben werden", warnt der CDU-Abgeordnete Mann. "Das schafft Rechtsunsicherheit und Europafrust."