26. Juni 1992: Bundestag regelt den Schwangerschaftsabbruch Über vierzehn Stunden stritten die Abgeordneten des zwölften Deutschen Bundestages leidenschaftlich um die Gewissensfrage: Kann man das Recht der Frauen auf Selbstbestimmung über den Schutz des ungeborenen Lebens stellen?
Am Ende reichte es in der Abstimmung für den Gruppenantrag, unterstützt von Mitgliedern aller Fraktionen: 356 gegen 247 Abgeordnete votierten für einen straffreien Schwangerschaftsabbruch innerhalb einer Frist von zwölf Wochen mit Beratungsschein. Die damalige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth begründete als Katholikin und Christdemokratin ihre Unterstützung für den Antrag: "Hören wir endlich auf, die Frauen für entscheidungsunfähig, für nicht verantwortungsfähig zu halten!"Auch Inge Wettig-Danielmeier (SPD) und Uta Würfel (FDP) betonten in ihren Redebeiträgen das Recht der Frauen auf Selbstbestimmung. Wettig-Danielmeier plädierte dafür, die Abtreibung ganz aus dem Strafrecht zu verbannen.
Dem hielt der CSU-Abgeordnete Theodor Waigel entgegen: "Auch das ungeborene menschliche Leben ist eigenständiges menschliches Leben. Auch die menschliche Würde des ungeborenen Lebens steht in vollem Umfang unter dem Schutz des Staates."
Mit der Entscheidung schrieben die Parlamentarier ein Stück deutsch-deutsche Einigungsgeschichte, denn in der DDR war die Abtreibung innerhalb der Zwölf-Wochen-Frist seit den 70er-Jahren legal. Nach der Wiedervereinigung musste diesem ungleichen Rechtszustand begegnet werden. Gregor Gysi, damals PDS, mahnte deswegen auch eine ostdeutsche Interessenvertretung bei diesem Thema an.
Die Süddeutsche Zeitung vom 27.06.92 wies darauf hin, dass Abtreibungen in Westdeutschland ohnehin bereits zur Praxis gehörten: "An der Üblichkeit der Abtreibung in Deutschland würde sich nichts ändern."
Wie schon im Jahre 1975 machte am 28.05.1993 das Bundesverfassungsgericht den Volksvertretern einen Strich durch die Rechnung. Die Richter erklärten die legale Abtreibung für verfassungswidrig. Seit 1995 greift die Fristenregelung mit Beratung jedoch über einen Umweg: Innerhalb der ersten zwölf Wochen ist der Tatbestand des Schwangerschaftsabbruchs nicht erfüllt.