Un-WeltklimaREPORT
Ein Begleitbuch mit klaren politischen Standpunkten
Nun, an Büchern über den Klimawandel herrscht kein Mangel. Da ist ein regelrechter Markt entstanden, und schon von daher dürfte es der von Umwelt-Staatssekretär Michael Müller und zweien seiner Mitarbeiter herausgegebene Band über den UN-Weltklimareport schwer haben, sich zu behaupten. Auch aus einem anderen Grund wird dieses Buch wohl vor allem politische und wissenschaftliche Kreise sowie Öko-Aktivisten interessieren: Es ist eben keine leichte, sondern eine eher schwierige Lesekost, sich mit den Ursachen des Treibhauseffekts und dessen Auswirkungen auseinanderzusetzen -selbst wenn sich die Autoren, unter denen sich auch wissenschaftliche Promis der "Klimaszene" wie etwa Hartmut Graßl, Mojib Latif, Stafan Rahmstorf, Peter Hennicke oder Hans Joachim Schellnhuber finden, um Verständlichkeit mühen.
Es ist gewiss nicht das erste Mal, dass der das Klima aufheizende Kohlendioxidausstoß sowie Wüstenbildung, Gletscherschmelze, Meeresanstieg und Naturkatastrophen analysiert werden. Doch der UN-Report markiert eine Zäsur: Um diesen mit der Autorität der UNO ausgestatteten Bericht kommt niemand mehr herum. Übersetzung, Erläuterung und Kommentierung dieser umfassenden Studie dürfen als eine Art Kompendium der Klimadebatte gelten.
Zuweilen lehrt dieser Band das Fürchten: Geht die Welt unter? Von "echten Menschheitsherausforderungen" schreibt SPD-Umweltminister Sigmar Gabriel. Die Autoren wollen freilich keine lähmenden Kassandrarufe hinausposaunen. Aufrüttelnde Warnungen müssen sein, doch zeigt das Buch auch Wege aus der Katastrophe. Gabriel skizziert die Richtung: Angesichts der weltweit und besonders in China und Indien steigenden Energienachfrage sind Wirtschaftswachstum und Energiebedarf zu entkoppeln, und diese Aufgabe ist mit Energieeffizienz und mit dem massiven Ausbau der erneuerbaren Energien zu lösen. In diversen Beiträgen wird diese Leitlinie von der Ausstattung des Kraftwerkparks über die Gebäudesanierung bis hin zur ökoverträglichen Mobilität durchdekliniert. Gabriel: "Die wissenschaftlichen Fakten sind klar."
Warum geht es aber nur mühsam voran? Politisch ist eben doch manches umstritten. So plädiert Gabriel für die Nutzung der Kohle - auch, um hierzulande eine Kraftwerkstechnologie mit optimaler Schadstoffreduzierung zwecks Export in Länder wie China zu entwickeln, die noch auf lange Sicht auf Kohle setzen werden. Umweltverbände und Grüne protestieren indes hierzulande gegen den Neubau von Kohlekraftwerken.
Der Band legt offen, dass in den mit der Erstellung des UN-Reports befassten Gremien die Atomkraft als Beitrag zum Klimaschutz heftig umkämpft war. Diese Strategie hat auch weiterhin ihre Anhänger, auch wenn sie sich bei der Abfassung der Studie letztlich nicht durchsetzen konnten. Das Buch bezieht Position gegen die Nuklearenergie: Angesichts der gewaltigen Risiken und des global nur minimalen Beitrags der Kernkraft zur Energieversorgung sei es unverantwortlich, diesen Sektor auszubauen. In ihrem Beitrag über die vielfältige Klimaforschung in Deutschland verteidigt CDU- Wissenschaftsministerin Annette Schavan ihrerseits die Atomkraft als "Brückentech- nologie".
Wissenschaftler und Publizisten, die einen von Menschen verursachten Klimawandel in Abrede stellen oder dessen Bedeutung relativieren, werden in dem Band einer vernichtenden Kritik unterzogen und mit dem Wort "Klimaleugner" klassifiziert. Polemik würzt die Lektüre, doch dieser Begriff weckt unpassende Assoziationen.
Ohne Zweifel haben die Streiter wider den Treibhauseffekt die besseren Argumente auf ihrer Seite. In einer solchen Situation könnte man aber souveräner agieren und etwa einen Kritiker selbst zu Wort kommen lassen, um sich auf dieser Basis mit der Gegenseite auseinanderzusetzen. So lernt der Leser deren Position nur aus zweiter Hand kennen.
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2007; 440 S., 12,95 ¤