ZUKUNFTSVISIONEN
Experten sehen neue Arten in Europa. Das ist nicht ohne Risiko.
Nicht nur Menschen, sondern auch Tiere gehen auf Reisen: Mit Verpackungsholz oder Bonsaipflanzen aus China eingereist, ist der asiatische Laubholzbockkäfer in Italiens Wäldern längst heimisch geworden. Er wird an der Grenze zu Österreich und der Schweiz sicherlich auch nicht halt machen. Die Förster sind alarmiert. So wie mediterrane Grillen auf dem Vogelsberg gesichtet wurden und die südostasiatische Hanfpalme in Schweizer Wäldern wächst, wandern Wärme liebende Pflanzen und Tiere aufgrund des Klimaerwandels in ehemals verpönte nördliche Gefilde - oder können hier überhaupt überleben. Das Klima ist einer der wichtigsten ökologischen Standortfaktoren für Pflanzen. Ändert es sich, verändert sich auch die Verbreitung der Arten. Tiere und Pflanzen, die sich den neuen Gegebenheiten nicht anpassen können, sind dann vom Aussterben bedroht.
Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) kommt in ihrer Studie über die ökonomischen Folgen des Klimawandels zu dem Schluss: "Durch die Zunahme von extrem heißen Sommern wird die Forstwirtschaft künftig verstärkt durch Waldbrände gefährdet sein, zudem kann Wassermangel die Wachstumsbedingungen verschlechtern und die Schädlingsverbreitung begünstigen." Kempfert sieht in den nächsten Jahren daher auch eine Veränderung in der Forstbewirtschaftung: "Waldumbauprogramme werden eher Mischwälder anstelle von Monokulturen favorisieren, da diese resistenter gegen Klimaschwankungen sind." Überall auf der Welt suchen Forstwissenschaftler, Förster und private Waldbesitzer inzwischen Antworten, wie man sich bei der Bewirtschaftung des Waldes zukünftigen Bedingungen anpassen kann. Ist es sinnvoll, die Wälder mit Hilfe so genannter trockentoleranter Baumarten im großen Stil umzuwandeln? Patentrezepte gibt es nicht. Derzeit lautet das am häufigsten gehörte Schlagwort für den Umbau: naturnaher Wald mit hohem Mischungsgrad. Auch der ehemalige Förster und Forstexperte Georg Meister favorisiert ein Nebeneinander von Buchen, Eichen und Robinien: "Wachsen weiter überwiegend Fichten oder Kiefern, dann werden schon in fünfzig Jahren viele dieser Nadelforste von Insekten abgetötet, von den häufigeren Stürmen umgeworfen oder sie brennen ab", warnt er. Humusarme Kahlflächen oder Jungforsten speichern weniger CO² und Wasser, das erhöhe die Gefahr von Hochwasser, Steinschlag oder Lawinen. Mancher Förster denkt auch an die Pflanzung nicht heimischer Arten. Im vorletzten Jahrhundert hatten Berufskollegen bereits Erfolg mit einem US-Import: der Douglasie. Vor der Eiszeit kam der Nadelbaum auch in Europa vor und flüchtete vor dem Eis bis zu den Alpen, eine tödliche Sackgasse. Die genetisch nicht exakt identische Verwandte ist robust, gedeiht auch auf Problemstandorten und ihr Holz ist von guter Qualität.
Doch Ulrich Schraml vom Forschungsprojekt "Waldzukünfte 2100" an der Universität Freiburg warnt: "Da ist immer ein Risiko dabei. Es können Insekten und Pilze eingeführt werden, die unsere Arten nicht vertragen." Der Anbau der Douglasie habe sich bewährt, doch in Australien und Neuseeland gebe es genug negative Erfahrungen mit fremden Pflanzen und Tieren.
Der Forstwissenschaftler entwickelt zusammen mit Zukunftsforschern, Holzkundlern, Ökonomen Szenarien für eine zukünftige Waldnutzung. Seiner Ansicht nach, hängt die Zukunft des Waldes nicht allein vom Klima ab, "sondern zum Beispiel auch vom Holzmarkt. Private Waldbesitzer werden eher das pflanzen, was ihnen Einnahmen bringt."
Peter Elsasser von der Bundesforschungsanstalt für Forst- und Holzwirtschaft in Hamburg glaubt hingegen, dass eigentlich keiner wissen könne, wie der Wald in 100 Jahren aussehen werde. Allerdings sei eines klar, "was man heute pflanzt, steht noch in einem Jahrhundert". t
Die Autorin ist freie Journalistin in Berlin.