WELTWALDSCHUTZ
Über Jahrzehnte versuchten Umweltschützer vergeblich, den Raubbau zu stoppen. Der Klimawandel verschafft ihnen jetzt Rückenwind.
Der Anblick ist beklemmend. Im Holzhafen von Douala in Kamerun lagern tropische Rundhölzer, soweit das Auge reicht. Hunderte von Jahren schützten diese Riesen die empfindlichen Böden , und jeder band Tonnen des klimaschädlichen Kohlendioxids. Manche dieser Bäume sind mehr als 1.000 Jahre alt. Rund die Hälfte, schätzt die Organisation "Zentrum für Umwelt und Entwicklung" in der Hauptstadt Jaunde, wurde illegal geschlagen.
"Wir denken manchmal, der Kampf ist verloren", sagt der kamerunische Forstexperte Belmond Tchoumba. Sein Land verfüge zwar über ein strenges Forstgesetz, doch gebe es zu viele Tricks und Ausnahmen, das Gesetz zu umgehen. Rundhölzer, also ganze Stämme, dürfen überhaupt nicht mehr aus Kamerun ausgeführt werden. Es sei denn in Ausnahmefällen, wenn es sich um seltene Sorten handelt. Offenbar sind Ausnahmen die Regel in Kamerun, das nach dem Index von Transparency International zu den 20 korruptesten Ländern der Welt zählt. Gleichwohl ist es Schwerpunktland deutscher Entwicklungshilfe und soll künftig sogar bei Entwicklungsprojekten zum Walderhalt eine wichtige Rolle spielen. Doch die rund 100 Firmen, die dort eine Lizenz zum Abholzen haben, dürfen den Baumbestand auf den ihnen zugewiesenen Flächen selbst erheben. Also geben sie überhöhte Kapazitäten an, um mehr schlagen zu können. "Armut und Korruption zerstören die tropischen Waldreservate", klagte jüngst die Ökologische Gesellschaft von Amerika und macht dafür vor allem Brandrodung in Ländern wie Indonesien, Kambodscha oder Sierra Leone verantwortlich.
Auf 130.000 Quadratkilometer schätzen die UN Food and Agricultural Organization (FAO) und das UN-Umweltprogramm (Unep) in aktuellen Berichten den jährlichen Verlust an unwiederbringlichem tropischem Wald. Das entspricht einer Fläche, die so groß ist wie Österreich, die Schweiz und Belgien zusammen. Für das Klima ist das verheerend: Ein Viertel der weltweiten CO2-Emissionen stammen aus Abholzung und desaströser Landnutzung. Gleichzeitig gehen mit den Wäldern wichtige so genannte CO2-Senken verloren. "Wiederaufforstung ist teuer und schützt das Klima bei weitem nicht so effektiv wie der Erhalt bestehender Wälder", sagt Peter Hilliges, einer der Waldexperten der deutschen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) in Frankfurt am Main. Sein "Kompetenzcenter Landwirtschaft und Umwelt" hat positive Entwicklungen in Vietnam, Costa Rica und sogar in China ausgemacht. Aber die großen Problemzonen Amazonas in Lateinamerika, Sumatra/Borneo in Asien und das Kongo-Becken in Afrika bereiten Umweltschützern weiterhin größte Sorge. "China fungiert wie ein Staubsauger", sagt ein deutscher Entwicklungshelfer, "die kaufen alles auf, ohne Rücksicht auf die Umwelt" - wie zum Beispiel Holz aus Indonesien.
"Indonesien ist der größte Übeltäter", klagt Helmut Klein. Der langjährige Mitarbeiter des Max-Planck-Instituts in Andechs und wissenschaftlicher Beirat des Bundes Umwelt und Naturschutz (BUND) stellt resigniert fest: "Politische Maßnahmen haben wenig bewirkt in den vergangenen 25 Jahren", sagt der 70-jährige Biologe. Es gibt keine internationale Konvention zum Waldschutz, ja noch nicht einmal der Begriff Wald ist einvernehmlich definiert. "Ich rufe und rufe, ich pflanze Bäume, jeden Tag, aber niemand scheint mir zuzuhören", gab sich auch die kenianische Bürgerrechtlerin und Umweltschützerin Wangari Maathai vor kurzem in Nairobi einem für sie untypischen Anflug von Pessimismus hin. Es "wurmt" die Friedensnobelpreisträgerin, dass für die Länder, die bereit wären, ihre tropischen Wälder zu schützen, bislang keine Entschädigung vorgesehen ist..Währendessen können Aufforstungsprojekte - als Teil des vom Kyoto-Protokoll vorgesehenen Handels mit Klimazertifikaten - durchaus bares Geld bringen. Doch die Umsetzung dieses Konzepts ist kompliziert.
Unep-Chef Achim Steiner hofft, dass dieser Misstand auf dem bevorstehenden Klimagipfel in Bali und den Folgekonferenzen behoben wird: "Das muss sich ändern", sagt er. Auch der Erhalt bestehender Wälder müsse belohnt werden, ihre Haltung zu dieser Frage sei für die Regierungen ein Test, mit dem sie ihre Glaubwürdigkeit im Kampf gegen den Klimawandel unter Beweis stellen könnten.
Unter dem Druck der drohenden Erderwärmung hat sich inzwischen auch das politische Klima für die Waldschützer massiv geändert. Wurden Wälder bis vor wenigen Jahren ausschließlich als ökonomischer Faktor, allenfalls noch als Wasserspeicher und Ökosystem betrachtet, so gelten sie inzwischen vor allem als unverzichtbare Waffe im Kampf gegen den Klimawandel. "Wir haben neuerdings massiv Rückenwind", sagt auch Peter Hilliges von der KfW. Sie will allein in diesem Jahr 160 Millionen Euro aus Mitteln des Entwicklungshilfeministeriums (BMZ) zusätzlich in Wald- und Biodiversitätsschutz investieren.
Mit einem Fonds von 300 Millionen Dollar für eine neu zu gründende Forest Carbon Partnership Facility (FCPF) will die Weltbank in Bali - auch auf Druck der Bundesregierung hin - dem Thema "vermiedene Entwaldung" einen besseren Stellenwert verschaffen. "Wenn es Geld dafür gibt", so hoffen Klima- und Waldschützer, dann schützen in Zukunft auch korrupte Regierungen ihren Wald. Helmut Klein ist sich sicher: "Wenn überhaupt, dann kann nur die Klimadebatte helfen, die Abholzung abzubremsen."