Ich empfinde mich als streitbar", sagt Jerzy Montag, Bundestagsabgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen. Davon konnten sich im Jahr 2005 unzählige Fernsehzuschauer überzeugen. Denn schon in seiner ersten Legislaturperiode im Parlament wurde Montag zu einer kleinen Berühmtheit. Er war Obmann seiner Fraktion im Visa-Untersuchungsausschuss und dort wichtiger Fürsprecher seines Parteikollegen und damaligen Außenministers Joschka Fischer. "Ich hatte 23 Jahre Berufserfahrung als Strafverteidiger hinter mir und im Ausschuss ein Déjà-vu-Erlebnis." Es sei zugegangen wie vor Gericht, erinnert sich der Jurist. Hitzig und emotional. Für Jerzy Montag, der sich als "68er" bezeichnet, nichts Neues. In den 1960er- und 1970er-Jahren habe er oft protestiert, sich gegen eine "verkrustete Gesellschaft" gewandt, wie er selbst sagt.
Der 61-Jährige spricht von seiner Jugend- und Studentenzeit überlegt, in ruhigem Tonfall und sieht in dieser Epoche noch heute einen Grund für sein politisches Denken und Handeln. "Der Parlamentarismus arbeitet in einem sehr eingefahrenden Rahmen. Aber das desillusioniert mich nicht", sagt der Grünen-Abgeordnete. Erfolge seien machbar, davon ist Montag überzeugt. Jerzy Montag wendet sich den Dingen aus intellektueller Perspektive zu. Um die Motivation für sein politisches Handeln zu erklären, zitiert er Theodor W. Adorno. "Es gibt kein richtiges Leben im Falschen", sagte der Philosoph einst, für Montag hat der Ausspruch umgekehrt Gültigkeit. Trotz Umweltkatastrophen, Kapitalismus und Ungerechtigkeiten "gibt es glücklicherweise auch immer die Möglichkeit, das Richtige zu tun". Darum sei Politik erfüllend und entspreche seinem Charakter - auch Abseits von TV-Kameras wie im Untersuchungsausschuss.
Geboren wurde Montag in Kattowitz, Polen, seine Schulzeit verbrachte er in Mannheim, bevor er nach dem Abitur 1966 in Heidelberg und München Soziologie und Jura studierte. Seit mehr als 30 Jahren lebt und arbeitet der Politiker in Bayern. "Ich bin Münchener", sagt er ohne zu zögern, begrüßt und verabschiedet Besucher mit "Servus" und strahlt bayerische Gemütlichkeit aus. Das Recht, erläutert Montag, sei für ihn ein machtvolles Instrument des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Eine Grundfeste, die möglicherweise ebenfalls in seiner Vita begründet liegt. "Ich habe mich bereits als Schüler sehr mit der Geschichte der nationalsozialistischen Diktatur auseinandergesetzt", beschreibt Montag. "Wir hatten Mörder und hundertausende Mitläufer unter uns." Er habe in der jungen Bundesrepublik, so Montag, keine glaubwürdige und gelebte Ablehnung des Massenmords gesehen. Daraus resultierte die Auseinandersetzung mit den Opfern und den Überlebenden. Und ein großes Interesse für das Land Israel. Jerzy Montag ist seit dieser Legislaturperiode Vorsitzender der deutsch-israelischen Parlamentariergruppe. In seiner Funktion koordiniert er den Austausch von Abgeordneten des deutschen Bundestages und der israelischen Knesset. Mitte März hat er als Abgeordneter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf ihrer Reise nach Israel begleitet. Dem Grünen-Politiker ist eines ganz wichtig: "Ich habe die Position solidarischer Kritik nie verlassen." Nicht jede Politik des israelischen Staates bleibt unwidersprochen, für Montag ein ganz normaler Umgang miteinander. Der "zivilisatorische Bruch" in der Nazi-Zeit sei eines der wichtigsten Motiv für ihn gewesen, in die Politik zu gehen. Daraus leitet sich eine weitere Handlungsmaxime des Abgeordneten ab: "Wenn wir eine menschliche Gesellschaft wollen, müssen wir vom Einzelnen ausgehen", erklärt er. Politik müsse folglich den einzelnen Menschen in den Mittelpunkt stellen. Die Bewertung seiner eigenen Partei ist die logische Ableitung dieser These. "Die Lager sind überholt", glaubt Montag, auch wenn er einräumt, dass es noch immer eine emotionale Zugehörigkeit zu "Realos" oder "Fundis" gäbe. "Ich habe mich immer als Reformer gesehen", verortet sich der Grüne selbst. Es sei die radikale Grundposition, seiner Partei, mit der er komplett konform gehe. "Wir müssen die ökologische Grundlage der Welt bewahren und den universellen Menschen mit seinen Grundrechten schützen", formuliert Montag.