ARMEE
Für die meisten Israelis eine Selbstverständlichkeit
Eines ist gewiss: Ohne die Armee gäbe es keinen jüdischen Staat. Sie lebt bis heute von dem Ruf, unbesiegbar zu sein. Gegründet wurden die israelischen Streitkräfte nur kurze Zeit nach der Unabhängigkeitserklärung am 31. Mai 1948. Sie gingen aus verschiedenen Untergrundorganisationen hervor, die schon gegen die britische Mandatsmacht in Palästina gekämpft hatten.
Der traditionelle Wehrdienst gilt in Israel als Selbstverständlichkeit - drei Jahre für Männer und zwei Jahre für Frauen. Insgesamt belief sich die Stärke der Streitkräfte nach einer Zahl aus dem Jahr 2005 auf 168.000, die der Reservisten auf 408.000. Nicht zur Armee eingezogen werden besonders strenggläubige Juden sowie nichtjüdische, schwangere oder verheiratete Frauen und israelische Araber. Für andere religiöse Juden hat sich die Armeeführung etwas Besonderes einfallen lassen: So errichtete die militärische Führung den "frommen Nachal", wo die Soldaten sowohl dienen als auch den Talmud studieren können.
Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, den Wehrdienst zu verweigern, allerdings müssen die Beteiligten dabei eine lange Prozedur durchlaufen.
Arabische Hetzreden aber auch Kassam-Raketen, die Ende vergangener Woche wieder im westlichen Teil der Negev-Wüste einschlugen, sorgen für eine hohe Motivation in den kämpfenden Einheiten, die "Heimat zu verteidigen".
Die offiziell anerkannten Wehrdienstverweigerer geraten dabei zunehmend in die Kritik. Aber auch nicht-fromme Verweigerer gelten in Israel als gesellschaftlich verpönt - allerdings gibt es eine prominente Ausnahme: Der bekannte Popsänger Aviv Gefen schaffte es trotzdem bis in die Spitzenplätze der Hitparaden, sogar bei den so genannten "Wellen Zahals", dem populären Armeesender. Das Programm mit jugendlichen Moderationen wird von Soldaten gemacht. Gefen sang einst sogar zu Ehren von Ex-Generalstabschef Jitzhak Rabin bei der Friedensdemonstration am 4. November 1995, auf der Rabin anschließend ermordet wurde.
Die Drusen, eine muslimische Sekte, werden wie die Juden eingezogen, seitdem die Drusenführer schon vor 1948 den Juden Treue geschworen haben. Auch die Beduinen, arabische Wüstennomaden, müssen in Israel zur Armee - viele von ihnen leisten einen der gefährlichsten aller Jobs bei der Armee: Als Fährtenleser marschieren sie oftmals an der Spitze von Patrouillen. Doch innerhalb der Beduinengesellschaft ist der Heldentod keine Ehre. Der Name eines im März gefallenen Beduinen wurde auf Wunsch seiner Familie nicht veröffentlicht. Er war beim Gazastreifen von palästinensischen Scharfschützen erschossen worden. Die Familie befürchte Diskriminierung durch andere Beduinen, hieß es. Wie die Drusen gelten diese Beduinen bei den Arabern als "Verräter".
Eine geringe Zahl israelischer Araber, Moslems wie Christen, meldet sich freiwillig zum Militärdienst. Sie gehören zu den 1,2 Millionen Israelis, die sich selbst als Palästinenser bezeichnen und rund 20 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Dass Araber freiwillig dienen, erfährt die Öffentlichkeit meist nur, wenn muslimische Geistliche einem gefallenen Soldaten das Begräbnis verweigern. Statt Nationalflagge verhüllt dann eine graue Decke den Sarg.
Wer nicht dient, kann drei Jahre vor den Altersgenossen mit Studium oder Arbeit beginnen. Aber im Berufsleben verschließen sich viele Türen. Ein absolvierter Militärdienst bietet eine gewisse Gewähr für Loyalität und Zuverlässigkeit. Ein so genanntes "Profil 21", den Ausschluss vom Militärdienst, erhalten hingegen körperlich oder geistig Behinderte.
Seit jeher gilt die israelische Armee auch als ein wichtiger Integrationsfaktor für die Gesellschaft, denn hier gelten erst einmal für alle dieselben Regeln. Prinzipiell werden zudem auch alle jugendlichen Einwanderer eingezogen, auch wenn sie keine Juden sind - wie etwa die 300.000 nicht-jüdischen Angehörigen von jüdischen Einwanderern aus Russland. Sie sind Israelis und leben inmitten der jüdischen Gesellschaft. Für sie bietet die Armee so genannte Konvertierungskurse an. Etwa 6.000 dieser Soldaten beenden pro Jahr ihren Militärdienst als beschnittene Juden. Die Armee bietet aber auch vielen jungen Leuten, die beispielsweise auf dem Arbeitsmarkt nur wenig Chancen hätten, eine Perspektive. So können beispielsweise Äthiopier, von denen viele schon in der Schule benachteiligt sind, in der Armee einen Beruf erlernen.
Viele Politiker haben eine Militärkarriere hinter sich. Die Erlebnisse in der Armee "schweißen" zusammen. Wer sich in der Armeezeit in bestimmten Einheiten kennenlernt, schließt hier Freundschaften, aber auch "Seilschaften", die ein Leben lang halten können. David Ben Gurion, Golda Meir, Menachem Begin und Ehud Olmert, aber auch der heutige Staatspräsident Schimon Peres waren allerdings nie Soldaten. Eine Offizierslaufbahn sagt nicht unbedingt etwas über die politische Ausrichtung aus: so zählen der verstorbene Jitzhak Rabin und Ehud Barak als Generäle eher zum linken Spektrum, der Parlamentarier Effi Eitam und Ariel Scharon zum rechten Lager.
Der Autor ist Nahost-Korrespondent unter
anderem für die TV-Sender n-tv und CNN.