NAHOST-KONFLIKT
Israelis und Palästinenser wollen wieder verhandeln. Doch die Akteure sind schwach und eine Konfliktpartei sitzt nicht mit am Verhandlungstisch
Es war ein Hoffnungsschimmer: Ende November 2007 einigten sich Israels Ministerpräsident Ehud Olmert und der palästinensische Präsident Mahmud Abbas auf der Nahost-Konferenz in Annapolis auf einen Neustart des Friedensprozesses. Damit kehrten die Konfliktparteien nach Jahren der gewaltsamen Auseinandersetzungen wieder zu einer Konfliktregelungsstrategie zurück. Zuletzt kamen die beiden am 13. April in Jerusalem zu einem anderthalbstündigen Gespräch zusammen. Am 24. April will Abbas in Washington US-Präsident Bush treffen. Vor Ablauf von Bushs Amtszeit im Januar 2009 wollten sich Abbas und Olmert eigentlich auf ein Friedensabkommen verständigt haben - so hatte es noch im November in Annapolis geheißen.
Ob ein solcher Zeitplan realistisch ist, darf im Moment noch bezweifelt werden. Ein Durchbruch bei den Verhandlungen wäre sicherlich ein positives Signal für die Menschen in Nahost - 60 Jahre nach der Unabhängigkeitserklärung Israels.
Seit der Staatsgründung 1948 hat sich Israels sicherheitspolitische Lage verändert. Israel hat Friedensverträge mit Ägypten (1979) und Jordanien (1994) geschlossen. Der Friedensschluss mit den drei verbleibenden Nachbarn Syrien, Libanon und den Palästinensern ist bisher zwar nicht gelungen, eine existentielle Bedrohung Israels resultiert daraus jedoch nicht. Israel ist heute die stärkste Militärmacht im Nahen Osten und unterhält eine sehr enge strategische Beziehung zu den USA.
Im Frühjahr 2002 bot die Arabische Liga Tel Aviv zudem einen Friedensvertrag und die Normalisierung der Beziehungen an, falls Israel sich aus den 1967 besetzten Gebieten zurückzieht. Dies bedeutet jedoch nicht, dass Israel sich heute sicher fühlt. Die nuklearen Ambitionen des Iran, gepaart mit der anti-israelischen Rhetorik des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad, werden von israelischen Sicherheitspolitikern als ernst zu nehmende Bedrohung wahrgenommen. Gleichzeitig hat Israels Krieg gegen die Milizen der schiitischen Hisbollah im Süd-Libanon im Sommer 2006 sowie die gewaltsame Auseinandersetzung mit der islamistischen Hamas-Bewegung im Gaza-Streifen Gefahren aufgezeigt, die von einer militärischen Aufrüstung nichtstaatlicher Akteuren ausgehen. Israels Verteidigungsminister Ehud Barak geht davon aus, dass die libanesische Hisbollah bereits wieder über zwei- oder dreimal mehr Raketen als vor dem Krieg 2006 verfügt.
Eine friedliche Regelung des Konfliktes mit den Palästinensern ist für Israel von entscheidender Bedeutung. Ansonsten sind eine Bewältigung der Konflikte mit seinen arabischen Nachbarn und eine stärkere Akzeptanz Israels in der Region nicht vorstellbar. Dass Israel und die Palästinenser sich in Annapolis auf die Wiederaufnahme von Friedensverhandlungen geeinigt haben, ist daher unbedingt zu begrüßen. Bis Ende 2008 sollen Regelungen für zentrale Konfliktfragen wie die Grenzen zwischen Israel und einem palästinensischen Staat, die Kontrolle über Jerusalem, die israelischen Siedlungen in der West Bank und in Ost-Jerusalem, sowie die Aufteilung der Wasserressourcen gefunden werden. Gleichzeitig haben die Konfliktparteien die Umsetzung von verschiedenen vertrauensbildenden Maßnahmen beschlossen, die in dem sogenannten Road Map Friedensplan von 2003 vorgesehen sind.
Die bisherige Bilanz des Friedensprozesses ist jedoch ernüchternd. Palästinensische Politiker haben sich wiederholt kritisch über den mangelnden Fortschritt in den regelmäßig stattfindenden Verhandlungsrunden mit Israel geäußert. Auch die USA zeigen sich besorgt und drängen verstärkt auf konkrete Ergebnisse.
Hinsichtlich der Umsetzung der vorgesehenen vertrauensschaffenden Maßnahmen ist bisher ebenfalls wenig erreicht worden. Laut einem Bericht der israelischen Organisation "Peace Now" wurde in den ersten vier Monaten nach Annapolis in 53 israelischen Siedlungen weiter gebaut - von dem vereinbarten Siedlungsstopp kann somit keine Rede sein. Ebenso wenig erfolgte bisher eine spürbare Lockerung der israelischen Abriegelungspolitik der palästinensischen Gebiete. Angesichts der fortbestehenden Restriktionen für die Bewegungsfreiheit von palästinensischen Personen und Waren kann eine wirkungsvolle Bekämpfung der schweren palästinensischen Wirtschaftskrise trotz substantieller internationaler Hilfsgelder nicht gelingen.
Auch die palästinensische Führung hat nicht einhalten können, wozu sie sich in Annapolis verpflichtet hat. Eine Stabilisierung der Sicherheitslage in den palästinensischen Gebieten - für Israel die Grundvoraussetzung für die Schaffung eines Palästinenserstaates - ist nicht in Sicht. Dazu ist Präsident Abbas auch gar nicht in der Lage, weil seine Handlungsfähigkeit seit der gewaltsamen Machtübernahme des Gaza-Streifens durch die Hamas im Juni 2007 nur noch die palästinensischen Autonomiegebiete umfasst.
Er kann also nicht verhindern, dass Hamas-Milizen aus dem Gaza-Streifen Israel weiterhin mit Kassam-Raketen beschießen. Selbst in den eigenen Reihen scheint die Erwartung an die Problemlösungskompetenz von Abbas begrenzt. Bemühungen, den weitgehend unkontrollierbaren palästinensischen Sicherheitsapparat zu reformieren, brachten bisher kaum konkrete Ergebnisse.
Die Internationale Gemeinschaft ist gefragt
Damit der Annapolis-Friedensprozess doch noch zu einem Erfolg werden kann, muss sich die internationale Gemeinschaft noch stärker als bisher engagieren. Dies ergibt sich schon aus der innenpolitischen Schwäche von Olmert und Abbas. Gerade die USA müssen stärker auf den Fortgang der Verhandlungen einwirken und aktiver zwischen den Konfliktparteien vermitteln. Auch gilt es, viel konsequenter sicherzustellen, dass die beiden Parteien ihre jeweiligen Verpflichtungen umsetzen.
Deutschland und die Europäische Union (EU) haben sich bisher vor allem für die Schaffung konstruktiver Rahmenbedingungen für den Friedensprozess eingesetzt. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) schlug im Oktober 2007 einen EU-Aktionsplan für den Nahen Osten vor. Danach sollte die EU unter anderem kleine und mittlere Unternehmen und den Ausbau von Sonderwirtschaftszonen sowie Hilfe für Polizei und Justiz in den Palästinensergebieten fördern. Für Juni 2008 plant die Bundesregierung eine Konferenz in Berlin, in deren Rahmen über den Aufbau eines effektiven palästinensischen Justiz- und Polizeiapparats diskutiert werden soll. Insgesamt wäre jedoch eine stärkere politische Einbindung der EU wünschenswert, die gerade auf arabischer Seite über viel Legitimität und politischen Einfluss verfügt. Zudem krankt der Annapolis-Prozess daran, dass zentrale Konfliktparteien nicht in die Friedensbemühungen eingebunden sind. Auf palästinensischer Seite wird die Hamas von Israel und der internationalen Gemeinschaft boykottiert. Ohne eine Verständigung mit der Hamas ist eine friedliche Regelung zentraler Konfliktfragen jedoch kaum möglich. Zudem vernachlässigt der Annapolis-Prozess wichtige Querverbindungen zu anderen Konflikten. Die Einbeziehung weiterer Konfliktparteien - insbesondere von Syrien - ist von zentraler Bedeutung, damit die Region endlich Frieden finden kann.
Der Autor ist TAPIR-Fellow und
wissenschaftlicher Mitarbeiter
der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP).