DEUTSCHE IN ISRAEL
Das Interesse füreinander ist groß - die Vergangenheit stets präsent
Die Freundschaft zwischen Deutschland und Israel sei ein Wunder der Geschichte, sagte Kanzlerin Angela Merkel bei ihrem jüngsten Besuch in Israel. 40 Jahre zuvor kommentierte der in Berlin geborene Israeli Gershom Shalom: "Die Kluft zwischen den beiden Völkern wird bestehen, vielleicht für Jahrhunderte. Deshalb müssen die beiden Staaten Brücken bauen - pragmatisch, praktisch, ökonomisch, aber dabei Heucheleien vermeiden".
Die ersten Deutschen, die nach dem Holocaust widerstrebend kamen, waren Experten und Berater. Es kamen Politiker wie Franz Josef Strauss und Konrad Adenauer, Journalisten, die den Eichmann-Prozess 1962 begleiteten und Autoren, die den neuen Staat anschauen wollten.
Das Image Deutschlands und der Deutschen veränderte sich gravierend, als die Israelis wie der Rest der Welt im Fernsehen in der Nacht des 9. November 1989 die Freude der Berliner über den Mauerfall sahen. Das Band wurde stärker durch Politiker wie Johannes Rau und Joschka Fischer.
Vor allem aber kam in den 1970er-Jahren eine Gruppe junger Deutscher nach Israel: als Freiwillige in den Kibbuz, als Angehörige der Aktion Sühnezeichen, als Studenten an den Universitäten, als Priester und Pastoren. Einige von ihnen wurden gefangen genommen vom Charme des Landes, andere von dem junger Israelis. Einige konvertierten zum Judentum, viele von ihnen blieben lebenslange Freunde. Sie und ihre Kinder spielten eine aktive Rolle in der neuen Wahrnehmung Deutschlands durch Israel.
Deutschland ist für dieses Land nicht mehr fremd. Christliche Gemeinschaften aus Süddeutschland gründeten im 19. Jahrhundert die ersten deutschen Kolonien, die bis heute bedeutsam für unsere großen Städte sind. Hier finden wir den Ursprung des modernen Israels, unseres neuen "Wesens" - die Jekkes, Juden aus Deutschland, die ihre Heimat verlassen und geholfen hatten, eine andere aufzubauen. Sie betrachteten die deutsche Kultur als die universelle Kultur und meinten, jeder müsse sich der Sprache und den Werten von Bach, Goethe, Kant und Einstein zugehörig fühlen und glaubten, "selbst die Nazis können uns das nicht wegnehmen". Israel mag heute ganz anders als damals sein - aber das stimmt nur zum Teil. Nicht nur deutsche klassische Musik und Literatur sind noch immer präsent, sondern auch das deutsche Kino, die Gegenwartsliteratur und nicht zuletzt die Wirtschaft. Genauso sind israelische Filme auf Berliner Festivals und israelische Autoren auf der Frankfurter Buchmesse vertreten.
Sind das Zeichen wahrer Freundschaft? Oder ist es, wie Shalom befürchtet hat, Heuchelei? Die Antwort liegt in der Mitte: Es gibt Interesse, Neugier und das Bedürfnis, einander zu verstehen. Aber es gibt auch ein Widerstreben, sich allen Themen zu öffnen. Israel und Deutschland werden von zwei Kontinenten getrennt - und sind unterschiedliche Kulturen. Trotz "google", Handys und globaler Kommunikation verschwindet die Erinnerung an die gemeinsame Geschichte. Wir neigen dazu, uns um unsere eigenen Angelegenheiten zu kümmern. Dennoch sind viele Israelis willens, zuzuhören: den anderen Erzählungen und Erinnerungen, denen unserer Vergangenheit und unserer Wurzeln. Deutschland ist darin ständig präsent mit dem doppelten Erbe, das es uns und sich selbst hinterlassen hat: eine Mischung des Dunklen und des Großartigen.
Der Autor ist TV-Journalist
und Chefredakteur im Ersten
Israelischen Fernsehen, Aruz 1.