AUSSENPOLITIK
Israels Gründungsväter bauten einst auf Freiheit und Sozialismus. Erst relativ spät begannen die Beziehungen zu Deutschland, die anfangs eher von Pragmatismus als vom Gedanken der Völkerverständigung geprägt waren
Vor 60 Jahren sah die Welt politisch ganz anders aus - auch Israels Außenpolitik. Der Kalte Krieg bestimmte die Welt ebenso wie Israels Außenpolitik. Doch die fundamentalen Veränderungen der israelischen Außenpolitik hängen kaum mit dem Beginn, Fortgang und Ende des Kalten Krieges zusammen. Israels Weltsicht und seine Hauptpartner haben sich verändert.
Haupt- bzw. strategische Partner der israelischen Außenpolitik sind heute die USA und die Bundesrepublik Deutschland. Dieses Lied wurde Israels Gründergeneration nicht an der politischen Wiege gesungen. Sie hatte sich strikt geweigert, es selbst zu singen.
Die Gründergeneration Israels war vornehmlich sozialistisch geprägt. Vom linken Sozialismus zum "Sozialdemokratismus" hatten sich die Pragmatiker um Staatsvater David Ben-Gurion erst allmählich durchgerungen. Das hatte auch außenpolitische Folgen, denn ursprünglich, in vorstaatlich zionistischen Zeiten, glaubte Israels Führung, dass die Sonne nicht nur im astronomischen, sondern auch politisch ideologischen Sinn im kommunistisch, sowjetischen Osten aufging. Die brutal antisemitische und traditionell antizionistische Politik der Kommunisten um Stalin löschte jedoch das sozialistische Feuer der israelischen Staatsgründer. 1947/48 kam es zu einer kurzfristigen Widerannäherung. Die Sowjetunion stimmte in der UNO-Vollversammlung am 29. November 1947 für die Teilung Palästinas und damit für die Gründung des Jüdischen Staates. Das taten auch die USA, doch, anders als die UdSSR, verhängte Washington ein Waffenembargo über den Nahen Osten. Das traf vor allem Israel, dessen Überleben auf des Messers Schneide stand. Moskau hoffte, über Israel Einfluss im Vorderen Orient gewinnen zu können und lieferte Israel über die Tschechoslowakei die rettenden Waffen.
Doch der Sowjetführung wurde spätestens im Herbst 1948 klar, dass Israels Unterstützung die innenpolitisch jüdische Opposition ebenso wie den Nationalitäten-"Bazillus" im sowjetischen Vielvölkerstaat stärken würde. Weil die ursprüngliche außenpolitische Strategie schon früh erkennbar in eine Sackgasse führte - Einfluss in Nahost war und ist eher gegen als mit Israel zu gewinnen - schaltete Moskau um: Über Nacht waren Israel und Zionismus Feinde.
Seit 1955 belieferte die Sowjetunion Israels arabische Feinde, Ägypten und Syrien, mit Waffen. Von 1967 bis zu ihrem Ende unterstützte Moskau auch den palästinensischen Widerstand mit Rat, Tat und Militärischem. Im Sommer 1970 schossen sowjetische und israelische Piloten direkt aufeinander, im so genannten "Abnutzungskrieg", den der ägyptische Präsident Abdel Nasser von 1967 bis 1970 gegen Israel führte. Sein Nachfolger Anwar el-Sadat, setzte seit 1974 bis 1977 dagegen auf Frieden mit Israel und Zusammenarbeit mit dem Westen. Der Niedergang der Sowjetunion in Nahost begann. Er schwappte von Nahost auf die UdSSR selbst über, denn das winzig Israel revanchierte sich auf seine Weise bei Moskau: Es aktivierte die sowjetischen Juden von innen und mit Hilfe der USA von außen. So trug auch Israel zum Ende der Sowjetunion seinen Teil bei: Seit 1991 wanderten rund eine Million Juden aus der Ex-Sowjetunion nach Israel ein. Sozialismus und Freiheit wollte Israels Staatsgründer-Mehrheit. Das Hauptwort erregte Moskaus Misstrauen und Feindseligkeit zusätzlich. Freundschaft mit dem Kommunismus-Block war daher für Israels Außenpolitik unerreichbar.
Gerade die freiheitlich israelische Variante des Sozialismus war hierfür ein Grund. Ihretwegen ging der junge Staat Israel aber auch zur Weltmacht des Kapitalismus, die USA, auf Distanz. Das war freilich nur in gewisser Weise möglich, denn auf Konfrontation zu den US-Juden konnte und wollte Israel nicht gehen.
Die erhoffte Strategie der blockpolitischen Neutralität konnte sich Israel in der polarisierten Welt des Kalten Krieges nicht leisten - zumal seit Ausbruch des Korea-Krieges im Jahr 1950. Doch von intensiver Zusammenarbeit, gar Freundschaft mit massiven Waffenlieferungen aus den USA war bis Anfang 1968 keine Rede. Washington lehnte ab. Weder die Militär- noch die Wirtschaftshilfe der USA war bis zum Ende Sechs-Tage-Krieges im Juni 1967 erwähnenswert.
Frankreich war von 1954 bis November 1967 Israels außen- und sicherheitspolitische Hauptstütze. Dieser Verbindung hat Israel nicht zuletzt auch seine offiziell nicht vorhandene Nuklearoption zu verdanken. Frankreichs de Gaulle suchte seit 1962 den Weg zur arabischen Welt, er fand ihn 1967, indem er sich von Israels Angriff im Juni 1967 distanzierte. Zögernd übernahm nun Washington aus innenpolitischen Gründen unter Lyndon B. Johnson Israels Existenzsicherung - auch durch massive Waffenlieferungen. Außerdem sollte so die UdSSR in Nahost eingedämmt werden. Eine "strategische Partnerschaft" leitete erst US-Präsident Richard Nixon nach dem Jom-Kippur-Krieg und dem Ölpreisschock vom Herbst 1973 ein. Formalisiert wurde sie 1981 unter Ronald Reagan. Wo immer möglich sollte die Sowjetunion geschwächt werden. Das lag auch in Israels Interesse: außenpolitisch, sicherheitspolitisch, einwanderungspolitisch, judenpolitisch.
Nicht nur auf der Regierungs- und Parteienebene findet Israel in den USA Wohlwollen und Freundschaft, sondern laut vielen Umfragen, auch in der breiten Bevölkerung. In den USA wissen Politik und Gesellschaft, dass Israel weltweit zu den wenigen zuverlässigen Freunde der USA gehört.
Deutschland lag für Israel 1948 moralisch und damit auch politisch nicht in dieser, sondern in der Unterwelt: Stichwort "Holocaust". Mit beiden Teilen dieses Staates wollten weder Regierung noch Opposition oder Gesellschaft Israels Kontakt, geschweige denn Zusammenarbeit und Freundschaft. Es kam anders. Ursache der Annäherung war Israels wirtschaftliche Notlage Anfang der 1950er Jahre. Die Bevölkerung hatte sich von 1948 bis 1951 verdoppelt - Israel stand vor dem Bankrott. Sein oder Nichtsein, war hier die Frage. Ministerpräsident Ben-Gurion hatte eine Antwort: Gerade Deutschland sei aufgrund der Vergangenheit verpflichtet, den (über)lebenden Juden ihre Existenz zu sichern. Das war die strategische Wende. Innenpolitisch war sie höchst umstritten, denn die von Menachem Begin geführte Opposition wollte kein "Blutgeld".
Der Fortgang ist bekannt: Das "Luxemburger Abkommen" über Wiedergutmachung wurde 1952 geschlossen. Es rettete Israels Überleben als Staat. Es war zugleich Wirtschafts- und Sozialpolitik in Israel, indem es tausenden Deutschstämmigen ihre in Deutschland erworbene und von den Nationalsozialisten geraubte Alterssicherung und Teile ihres Eigentums erstattete.
Die militärische Zusammenarbeit mit der Bundesrepublik leiteten Franz-Josef Strauß (CSU) und Kanzler Adenauer (CDU) ein mit Ben-Gurion, General Moshe Dayan und dem heutigen Staatspräsident Israels Shimon Peres. Noch heute zählt er zu den Baumeistern israelischer Brücken nach Deutschland - was inzwischen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, in Israel nicht mehr umstritten ist.
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