STAATSFINANZEN
Oettinger und Struck wollen jetzt Pflöcke für eine Schuldenbegrenzung einrammen
Im Südwesten ertönt kräftiger Trommelwirbel. Ohne Hilfen von außen bei der Bewältigung der Altschulden von fast 10 Milliarden Euro werde das Saarland in der Föderalismuskommission II eine verbindliche Schuldenbegrenzung für die öffentliche Hand ablehnen, proklamiert CDU-Ministerpräsident Peter Müller. Auch andere Länder würden in einem solchen Fall ihre Zustimmung verweigern. Das Saarland, Bremen und Schleswig-Holstein sehen sich nicht in der Lage, aus eigener Kraft einen Haushalt ohne neue Kreditaufnahmen vorzulegen. Eine Schuldenbremse sei "einigermaßen sinnlos", so Müller, wenn nicht einmal die bestehenden Regelungen einzuhalten seien. Im Landtag fordern alle Parteien Bundeshilfen zur Linderung der Schuldenlast.
Am 23. Juni präsentieren der Stuttgarter CDU-Ministerpräsident Günther Oettinger und SPD-Bundestagsfraktionschef Peter Struck als Vorsitzende der Föderalismuskommission endlich ihr "Eckpunkte-Papier", das Pflöcke für eine Neuregelung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern mit einer im Grundgesetz verankerten Schuldenbegrenzung als Kern einrammen soll. Oettingers Parteifreund von der Saar erinnert daran, dass ein solche Neujustierung der staatlichen Finanzpolitik nur mit Zustimmung aller 16 Länder und des Bundes machbar sei.
Otto Fricke (FDP) sagt offen: "Ich halte auch ein Scheitern der Föderalismuskommission für möglich." Es sei durchaus drin, meint der Vorsitzende des Haushaltsausschusses im Bundestag, "dass sich Bund und Länder sowie arme und reiche Länder untereinander über die Altschuldenproblematik nicht einigen können." Hinter den Kulissen wird bereits über Zehntelprozentpunkte für eine noch zulässige Schuldenquote gerungen. Dabei markieren Oettingers und Strucks "Eckpunkte" erst den Auftakt der heißen Phase in der Kommission, die bis zum Herbst ein Gesamtkonzept erarbeiten will. Eine Verfassungsänderung müsste bis Frühsommer 2009 unter Dach und Fach sein.
Im Vorfeld der Sitzung diese Woche hat die SPD-Bundestagsfraktion ein Modell zur Schuldenbegrenzung vorgelegt. Dieses Konzept modifiziert einen Vorschlag von SPD-Finanzminister Peer Steinbrück, der die Kreditaufnahme von Bund und Ländern in normalen Zeiten auf 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) beschränken will. Die Fraktion möchte dem Bund eine 0,5-Prozent-Quote und den Ländern zusätzlich 0,25 Prozent erlauben. Bei einem Wirtschaftsabschwung soll die Kreditaufnahme auf drei Prozent des BIP steigen können.
In Normalphasen, so SPD-Fraktionsvize Joachim Poß, würde es sich um Schulden von bis zu 12 Milliarden Euro und damit um eine Halbierung der jetzt zugelassenen Summe handeln. Bei guter Konjunktur müssten Kredite konsequent getilgt werden. Auf längere Sicht, betont Poß, werde die Schuldenquote, die das Verhältnis des Schuldenstands zum BIP misst, spürbar sinken. Die Schuldenbremse soll nicht gelten in Sondersituationen wie etwa Naturkatas-trophen, Finanzmarktkrisen oder unerwartet ausbleibenden Bundesbankgewinnen.
Als völlig indiskutabel weist Antje Tillmann dieses Modell zurück. Die in der Unions-Fraktion für die Föderalismuskommission zuständige Abgeordnete rechnet damit, dass sich Struck mit dem Vorschlag seiner Fraktion gegen Oettinger nicht durchsetzen kann. Die SPD ziele nicht auf eine wirksame Schuldenbegrenzung, es würden zu viele Ausnahmen zugelassen. Tillmann unterstreicht, dass CDU und CSU in Normalzeiten eine Kreditaufnahme verbieten und in konjunkturell schwierigen Phasen neue Schulden in Höhe von ein bis zwei Prozent des BIP gestatten wollen - verbunden mit verpflichtender Tilgung in kurzer Frist. Für die Union seien Steinbrücks Zahlen die "absolute Obergrenze", Oettinger nennt dessen 0,5-Prozent-Quote einen "richtigen Anfang". Tillmann plädiert für einen Kompromiss unterhalb von Steinbrücks Linie.
Die FDP will laut Fricke in der Verfassung ein generelles Verbot einer Neuverschuldung festschreiben, nur in eng begrenzten Fällen wie Naturkatastrophen soll es Ausnahmen geben. Aber soll der Staat nicht wenigstens in wirtschaftlich schwierigen Zeiten mit kreditfinanzierten Interventionen gegensteuern? "In Aufschwungphasen", verlangt Fricke, "kann man für solche Situationen Rücklagen bilden." Zudem, so der liberale Abgeordnete, lasse sich auch durch Kürzungen im Etat finanziell Luft schaffen, "man muss die Ausgabenpolitik konjunkturgerecht gestalten". Derzeit sammelt die FDP bundesweit Unterschriften für ein Neuverschuldungsverbot.
Bei der Schuldenbremse scheint zwischen Union und SPD eine Einigung denkbar. Damit ist aber die Problematik der Altschulden, besonders jener der armen Länder, noch nicht gelöst. Hessens CDU-Ministerpräsident Roland Koch will die 1,5 Billionen Schulden von Bund, Ländern und Gemeinden in einen gemeinsamen Fonds einbringen, wo sie innerhalb von 50 Jahren getilgt werden müssten. Dabei seien alle Beteiligten ihrem Anteil gemäß zur Finanzierung heranzuziehen. Bremen, Kiel und Saarbrücken können jedoch nicht einmal ihre aktuellen Etats ohne Kredite ausgleichen. Tillmann kann sich im Grundgesetz eine Formulierung vorstellen, die hoch verschuldeten Ländern etwas mehr Zeit lässt bis zur Einhaltung einer verpflichtenden Kreditbegrenzung. Sie und Poß äußern sich reserviert gegenüber Bundeshilfen für arme Länder. Tillmann hält eine solche Unterstützung allenfalls für denkbar, wenn sich auch reiche Länder engagieren und den Empfängern eine "strikte und kontrollierte Etatdisziplin" verordnet werde. Kontrolle? Das dürfte die betroffenen Länder wenig begeistern.