Die zahlreichen Herren in Schwarz, den Zylinder auf dem Kopf, wirkten keineswegs bedrohlich auf der Galerie des Sitzungssaals 2.600 im Berliner Paul-Löbe-Haus. Edelgard Bulmahn (SPD), die Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Wirtschaft und Technologie, hielt es dennoch für ratsam darauf hinzuweisen, dass auch in einer öffentlichen Anhörung nur die Abgeordneten, nicht aber Gäste Fragen an die Sachverständigen stellen dürfen. Zwei Stunden lang drehte sich am 16. Juni alles um die Schornsteinfeger und den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuregelung des Schornsteinfegerwesens ( 16/9237).
Schornsteinfeger werden in Deutschland mit einer hoheitlichen Aufgabe "beliehen", das heißt, sie überprüfen im Auftrag des Staates die Feuerstätten und messen die Abgase. Die rund 8.000 Kehrbezirke in Deutschland sind an Bezirksschornsteinfeger vergeben, die in ihrem Bezirk ein Kehrmonopol haben, dafür aber keine Nebentätigkeit ausüben dürfen. Wer Bezirksschornsteinfeger werden will, muss auf einer Bewerberliste auf einen frei werdenden Bezirk warten.
Diese Regelung stammt aus dem Jahre 1935 und ist nach Ansicht des Kölner Rechtsanwalts Arthur Waldenberger mit der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit in der Europäischen Union überhaupt nicht vereinbar. Die EU-Kommission hatte daher ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eröffnet. Die Gesetzesnovelle der Bundesregierung sieht nun vor, dass frei werdende Kehrbezirke ab 2010 für sieben Jahre ausgeschrieben werden und sich auch Schornsteinfeger aus dem EU-Ausland um einen Kehrbezirk bewerben können. Amtierende Bezirksschornsteinfegermeister sollen bis Ende 2014 ihren Bezirk ohne Ausschreibung behalten können.
Diese langen Übergangsfristen sollen es dem Schornsteinfegerhandwerk aus Gründen des Vertrauensschutzes ermöglichen, sich auf den Wettbewerb einzustellen und sich für zusätzliche Tätigkeiten zu qualifizieren, beispielsweise für die Energieberatung. Ein Dorn im Auge sind die Übergangsfristen dem Heizungs- und Sanitärhandwerk. Michael von Bock und Polach vom Zentralverband Sanitär-Heizung-Klima hält sie für verfassungswidrig. Damit werde die bisher strikte Trennung von hoheitlichen und privatwirtschaftlichen Aufgaben der Schornsteinfeger "ohne Not" aufgegeben. Dies sei mehr, als die EU gefordert habe. Auch ordnungs- und wettbewerbspolitisch sei dieses "Einbrechen in andere Gewerke" nicht in Ordnung. Es dürfe nicht sein, dass "der eine sich selbst kontrolliert und der andere dies nicht darf".
Dagegen vertrat Frank Weber vom Zentralverband Deutscher Schornsteinfeger die Auffassung, durch die Übergangsfristen werde der Wettbewerb nicht ausgeschlossen. Jedes andere Handwerk könne bei entsprechender Qualifikation Schornsteinfegerdienste anbieten und sich um Kehrbezirke bewerben. Wenn Schornsteinfeger künftig im Heizungs- und Sanitärbereich tätig sein wollten, müssten sie die dortige Meisterprüfung ablegen, um Leistungen anbieten zu können. Es würden nun nicht alle Kunden den Kaminkehrer wechseln. "Es wird weiterhin preisgünstig von Haus zu Haus gearbeitet werden", sagte Weber. Der Kunde haber aber die Möglichkeit, einen anderen Anbieter zu wählen, wenn er bereit sei, "allein für die Anfahrt schon 100 Euro zu zahlen". Dass es zu einem Zusammenwachsen des Schornsteinfeger- und des Heizungs- und Sanitärhandwerks kommen wird, hielt Weber für unwahrscheinlich. Die Ausbildung und die Tätigkeiten seien "grundverschieden".
Die jetzige Umlagefinanzierung der Lehrlingsausbildungskasse durch alle Schornsteinfegerbetriebe nannte Weber sinnvoll. Wenn es dazu im Gesetz keine Regelung gebe, würden die Tarifpartner dies vereinbaren. Deutliche Preissteigerungen aufgrund des Gesetzes erwarten Ottmar Wernicke vom Verein "Haus und Grund Württemberg" und Stefanie Grether vom Verbraucherzentrale Bundesverband.