Es waren die vielen sonntäglichen Visiten in der Klinik, die ihn an seinen späteren Beruf heranführten. Der Vater war Chefarzt in einer Lungenfachklinik und in den 50er-Jahren waren regelmäßige Besuche vom Chef bei den Patienten einmal die Woche üblich. Der Sohn war dabei - und lernte die Aufgaben und die Rolle des Arztes von Kindesbeinen an. Da lag die spätere Wahl des Medizinstudiums nahe. Dass er dann auch Bundestagsabgeordneter werden würde, hat Hans Georg Faust (CDU), stellvertretender Vorsitzender des Gesundheitsausschusses, allerdings kaum vorhersehen können.
Politisch sensibilisiert sei er schon lange gewesen, sagt der 60-Jährige. 1948 in Hofheim im Taunus geboren, studierte er Ende der 60er-Jahre in Hessen."Wer damals in Frankfurt studiert hat, war ohnehin politisch interessiert, weil das eine unruhige Zeit war", sagt Georg Faust.
Aufgrund seiner Lebensumstände in den 80er-Jahren - Chefarzt mit Familie in dem beschaulichen Städtchen Bad Harzburg in Niedersachsen - habe er mit dem "bürgerlich-konservativen Lager" sympathisiert. 1982 trat er in die CDU ein. Als ihn seine Partei 1986 fragte, ob er für den Rat der Stadt kandidieren wolle, stimmte er zu. Und das auch aufgrund seines bisherigen Jobs. "Ich habe erkannt, dass ich als Chefarzt und Ärztlicher Direktor nicht unpolitisch sein kann. Etwa für Baumaßnahmen ist eine gute Kommunikation mit dem Träger, dem Landkreis, wichtig. Das kann man nicht ohne Kenntnis von politischen Abläufen." Seine Schwerpunkte setzte er vor allem in der Sozial- und Umweltpolitik, etwa bei der Frage, ob die örtliche Müllverbrennungsanlage Gesundheitsschäden durch Dioxin hervorruft. Später war Faust erst Stadtverbands-, dann Kreisverbandsvorsitzender. Den Posten als Chefarzt behielt er trotz seines großen politischen Engagements über die ganzen Jahre bei. Eine Tatsache, die Faust mit leisenm Stolz in der Stimme erzählt.
Als er 1998 zum ersten Mal für den Bundestag kandidierte, habe er darin "die Chance gesehen, den ärztlichen Beruf mit der Möglichkeit, Gesundheitspolitik zu machen, zu verbinden".
Hinter dieser nüchternen Aussage verbirgt sich ein anstrengender Alltag: Seit mehr als zehn Jahren pendelt er zwischen Bundestag und Krankenhaus. Wenn es sich mit seinem Terminkalender vereinbaren lässt, steht der Facharzt für Anästhesie in sitzungsfreihen Wochen an seinem alten Arbeitsplatz und gibt Patienten Narkosen. Für die CDU ist er der Experte in Sachen Krankenhäuser. "Das ist ein sehr großes Budget, über was wir zu entscheiden haben. Hier die richtigen ökonomischen und medizinischen Anreize zu setzen, ist eine sehr interessante und befriedigende Aufgabe", erzählt er. Eine Aufgabe, bei der man nicht nur medizinisches Wissen braucht, sondern auch gut kommunizieren können muss: Am Vortag diskutiert er in Stade mit 15 Krankenhausdirektoren über den ordnungspolitischen Rahmen der Krankenhäuser, am Nachmittag sprach er in Hannover mit der Studentenvertretung des Marburger Bundes über Probleme beim so genannten Praktischen Jahr (PJ).
Gesundheitspolitische Entscheidungen seien nie leicht. Schwarz-Weiß-Denken helfe nicht weiter, sagt Faust. Als Beispiele nennt er die Diskussion um Organspenden, um die Frage, wie lange ein Leben verlängert werden darf oder das Für und Wieder von Patientenverfügungen. Faust ist keiner, der große Reden schwingt oder ausladende Gesten benutzt. Knapp und präzise erzählt er aus seinem Leben, wird nie laut, holt nie aus zur Polemik gegen politische Gegner. Wenige Male lächelt er. Privates verrät er nicht so gerne. Doch dann erzählt er etwas über seine zweite Leidenschaft, die Kunstgeschichte. Die Romanische Architektur mit ihren klaren Formen und der Verbindung zu einer wichtigen Epoche der deutschen Geschichte hat es ihm genauso angetan wie der Jugendstil mit seinen floralen Formen. "Das berührt einen manchmal körperlich." Wenn er einmal in Pension geht, wird er vielleicht das abschließen, was er parallel zur Medizinausbildung als Gasthörer angefangen hatte: Das Studium der Kunstgeschichte. Nur seinen zweiten Berufswunsch, Museumsdirektor, wird er wohl nicht mehr verwirklichen.