NS-Raubkunst
Ein Begleitband zur Ausstellung in Berlin
Diebesgut gehört in die Hände der rechtmäßigen Besitzer. Diesen Grundsatz wird wohl jeder unterschreiben. Unterschrieben hat ihn 1998 auch die Bundesrepublik Deutschland in Form der Washingtoner Erklärung. In dieser moralischen Selbstverpflichtung, die allerdings kein kodifiziertes Recht darstellt, bekannte sich Deutschland zu seiner Verantwortung, die Herkunft der in den Jahren der nationalsozialistischen Diktatur geraubten Kunstwerke und Kulturgüter aus jüdischem Besitz zu erforschen und eine Rückgabe zu erwirken - entweder an ihren ursprünglichen Besitzer oder deren Erben. Was in der Theorie als einfach und selbstverständlich erscheint, hat in der Realität jedoch nicht nur eine höchst komplexe, sondern auch emotionale Debatte ausgelöst, wie etwa die Restitution der Gemälde "Goldene Adele" von Gustav Klimt und Ludwig Kirchners "Berliner Straßenszene" gezeigt haben.
Unter dem Titel "Raub und Restitution" dokumentiert derzeit eine Ausstellung im Jüdischen Museum Berlin Geschichte und Hintergründe zum Thema NS-Raubkunst. Zu dieser Ausstellung, die noch bis zum 25. Januar 2009 besucht werden kann, haben Inka Bertz, Kuratorin am Jüdischen Museum Berlin, und Michael Dorrmann, Historiker und Kurator der Ausstellung, einen umfangreichen Begleitband herausgegeben. Während sich solche Bände sehr oft auf die Beschreibung der Exponate beschränken, liefert der Band "Raub und Restitution" seinen Lesern einen ungleich höheren Nutzen. Er bietet einen fundierten und abwechslungsreich aufbereiteten Überblick. Er beleuchtet die historischen Hintergründe, greift die politischen, moralischen und rechtlichen Fragen der Restitution auf und zeichnet an 15 Beispielen den Weg von geraubten Kulturgütern nach. Interviews mit Politikern, Anwälten, Museumsvertretern und Erben verdeutlichen die aktuelle Diskussion und die ungelösten Probleme bei der Restitution von Kulturgütern.
Der Band zeigt auch, wie schnell antisemitische Stereotype in der öffentlichen Debatte hochkochen: zum Beispiel das des "raffgierigen Juden", wenn sich Erben oder deren Anwälte um eine Rückgabe der geraubten Kunstwerke bemühen. Ärgerlich ist allerdings, dass die Lektüre an einigen Stellen den Eindruck vermittelt, als sei dies der vorherrschende Tenor.
Insgesamt ist der Band jedoch ein hervorragend gestalteter Beitrag zu einem noch lange nicht abgeschlossenen Kapitel der Geschichte.
Raub und Restitution. Kulturgut aus jüdischem Besitz von 1933 bis heute.
Wallstein Verlag, Göttingen 2008; 325 S., 24,90 ¤