Geschäftsordnung des Bundestages
© DBT/Zander
Die Gesetzgebung
Vieles ist in allen Einzelheiten zu klären, festzulegen,
einzurichten, bis das Parlament sich endlich dem zuwenden kann, was
seine vornehmste Aufgabe ist: die Gesetzgebung (weswegen das
Parlament die Legislative genannt wird). Die Geschäftsordnung
gliedert die dabei nötigen Verhandlungsgegenstände
(Vorlagen) in drei Kategorien: Gesetzentwürfe,
Beschlussempfehlungen des
Vermittlungsausschusses und
schließlich Anträge auf Zurückweisung von
Einsprüchen des Bundesrates.
Gesetzentwürfe aus der Mitte des Bundestages
(Gesetzentwürfe können dem Bundestag auch von der
Bundesregierung über den Bundesrat und von letzterem selbst
vorgelegt werden) müssen von einer Fraktion oder von fünf
Prozent der Abgeordneten unterzeichnet und mit einer kurzen
Begründung versehen sein. Diese Vorlagen werden gedruckt und
an die Mitglieder des Bundestages, des Bundesrates und an die
Bundesministerien verteilt.
Gesetzentwürfe werden in drei Beratungen behandelt; eine
Ausnahme bilden Nachtragshaushaltsvorlagen, die auf Vorschlag des
Ältestenrates ohne erste Lesung in die Ausschüsse
überwiesen und dann in einer einzigen Lesung
abschließend beschlossen werden können. In der ersten
Beratung werden nur die Grundsätze des Entwurfes besprochen;
Änderungsanträge dürfen nicht gestellt werden. Am
Schluss der ersten Beratung wird der Gesetzentwurf einem Ausschuss
überwiesen. Sollen mehrere - namentlich angeführte -
Ausschüsse sich mit der Materie auseinandersetzen, muss der
federführende Ausschuss benannt werden; zu einzelnen Punkten
des Entwurfs können nach Absprache mit dem führenden
Ausschuss weitere Ausschüsse Stellung nehmen.
Die Verfasser der Geschäftsordnung haben auch besondere
Möglichkeiten für den Fall vorgesehen, dass eine Fraktion
ihren Entwurf etwa für eilig oder sehr einfach hält, eine
Einschätzung, die freilich von den anderen Fraktionen meist
nicht geteilt wird, weswegen die entsprechende Vorschrift im Alltag
keine Anwendung findet. Eine Fraktion - oder ein Zwanzigstel der
Mitglieder des Bundestages - kann beantragen, bei einzelnen
Entwürfen ohne die Prüfung durch einen Ausschuss sogleich
in die zweite Beratung einzutreten. Hat sie bereits bis 18 Uhr des
Vortages den einschlägigen Antrag gestellt, so müssen
zwei Drittel der anwesenden Abgeordneten dem zustimmen, damit man
gleich zur zweiten Lesung übergehen kann. Strenger ist das
Verfahren bei finanziell gewichtigen Vorlagen. Da muss der
Haushaltsausschuss gehört werden, und dieser hat entweder die
Vereinbarkeit der Vorlage mit dem laufenden Haushalt sowie mit dem
künftigen Finanzplan festzustellen oder aber einen
Deckungsvorschlag zu unterbreiten.
Die zweite Beratung wird nur dann mit einer allgemeinen Aussprache
eröffnet, wenn der Ältestenrat sie empfohlen, eine
Fraktion oder fünf Prozent der Abgeordneten sie verlangt
haben. Die zweite Lesung beginnt am zweiten Tag nach Bekanntgabe
der Beschlussempfehlung und der Ausschussempfehlungen, eine
frühere Beratung kann von zwei Dritteln der anwesenden
Mitgliedern des Bundestages beschlossen werden. Bei der zweiten
Lesung wird jede selbstständige Bestimmung der Reihenfolge
nach einzeln beraten, auf Antrag auch nur eines einzigen
Abgeordneten eine Änderung eventuell nochmals verändert
und schließlich abgestimmt, zuletzt die Einleitung und die
Überschrift des künftigen Gesetzes. Diese Vorschrift kann
aber im Konsens auch locker gehandhabt werden. Über mehrere
oder alle Teile des Entwurfes kann auch gemeinsam abgestimmt
werden. Solange nicht das ganze Gesetz beschlossen ist, kann es in
Teilen oder insgesamt an einen Ausschuss zurückverwiesen
werden, der nicht mit dem bisher behandelnden Ausschuss gleich sein
muss. Völkerrechtliche oder ähnliche Verträge
können nur im Ganzen beschlossen werden; Anträge auf
Änderungen sind nicht zulässig. Die Schlussabstimmung
über das Zustimmungsgesetz zu völkerrechtlichen
Verträgen findet bei der zweiten Lesung statt.
Wurde ein Entwurf in der zweiten Lesung abgelehnt, so folgt keine
dritte Lesung mehr. Ansonsten bilden die Ergebnisse der zweiten
Lesung die Grundlage der dritten. Wurde in der zweiten Beratung
keine Änderung vorgenommen, dann schließt sich die
dritte Beratung unmittelbar an. Wurden Änderungen beschlossen,
so wird eine neue Drucksache erstellt. Die dritte Lesung beginnt in
diesem Fall am zweiten Tag nach Verteilung dieser Drucksache - oder
früher, falls zwei Drittel der anwesenden Abgeordneten es so
beschließen. Eine allgemeine Aussprache findet nur in der
zweiten oder in der dritten Beratung statt.
Änderungsvorschläge, die in der dritten Lesung
eingebracht werden, müssen von einer Fraktion oder einem
Zwanzigstel der Abgeordneten unterzeichnet sein und dürfen
sich nur auf die Änderungen aus der zweiten Lesung beziehen.
Wird die Vorlage an einen Ausschuss verwiesen und schlägt
dieser Änderungen gegenüber der Fassung aus der zweiten
Lesung vor, so wird der Entwurf noch einmal in zweiter Lesung
behandelt. Nach Abschluss der dritten Beratung folgt die
Schlussabstimmung, und zwar sogleich, wenn die Vorlage nicht mehr
verändert wurde, oder mit dem nötigen zeitlichen Abstand,
bis eine übersichtliche Fassung vorliegt.
Um das Scheitern eines vom Bundestag beschlossenen
"zustimmungspflichtigen" Gesetzes mangels Zustimmung des
Bundesrates zu verhindern, kann das Parlament beschließen,
den Vermittlungsausschuss anzurufen. Dies muss von einer Fraktion
oder von einem Zwanzigstel der Mitglieder des Bundestages beantragt
werden. Soll auf Vorschlag des Vermittlungsausschusses das vom
Parlament beschlossene Gesetz geändert werden, so greift die
gesonderte Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses. Diese
sieht für den Bundestag vor, dass der Vermittlungsvorschlag
"alsbald" auf die Tagesordnung des Plenums zu setzen ist und
ausschließlich über ihn, also ohne etwaige
zusätzliche Anderungsvorschläge aus der Mitte des
Bundestages, abzustimmen ist. Bei Änderungen des Grundgesetzes
ist über jede Einzelheit des Vermittlungsvorschlages einzeln
und schließlich insgesamt Beschluss zu fassen.
Soll lediglich im Falle von "Einspruchsgesetzen" über einen
Einspruch der Länderkammer gegen ein vom Parlament
beschlossenes Gesetz abgestimmt werden, so sind die üblichen
Arten der offenen Abstimmung (Handzeichen, Aufstehen und
"Hammelsprung"), aber auch namentliche Abstimmung möglich. Der
Einspruch muss mit derselben Mehrheit zurückgewiesen werden,
mit der ihn der Bundesrat erhoben hat.
Der besonderen Aufmerksamkeit der Geschäftsordnung erfreuen
sich alle Vorlagen, die mit wesentlichen Finanzmittel zu tun haben.
So regelt eine Vorschrift die rasche Behandlung jener Vorlagen der
Bundesregierung, die der wirtschaftlichen Stabilität dienen
sollen. Sie werden unmittelbar dem Haushaltsausschuss zugeleitet,
der sie innerhalb von vier Wochen zu beraten hat, ansonsten
berät das Plenum auf seiner nächsten Sitzung über
sie, ohne einen Ausschussbericht abzuwarten. Die
"Stabilitätsvorlagen" dürfen nur zum Zweck einer
Kürzung der Ausgaben geändert werden, eine Erhöhung
der Ausgaben ist nicht zulässig.
Auch bei den Haushaltsvorlagen (Haushaltsgesetz,
Nachtragshaushalte), welche die Bundesregierung ausnahmsweise dem
Bundesrat und dem Bundestag gleichzeitig zuleitet, und bei
kostenträchtigen "Finanzvorlagen" hat der Haushaltsausschuss
stets Vorrang. Dafür sichert ihm die Geschäftsordnung
ausreichende Zeiträume für seine Beratungen zu,
Säumigkeit aber bestraft sie durch Nichtbeachtung. Der
Haushaltsausschuss prüft alle Vorlagen auf die Vereinbarkeit
mit dem Haushaltsgesetz und die Haushaltsplanung und sucht nach
Möglichkeiten für die Deckung neuer Ausgaben. Findet er
keine Deckung, berät das Plenum erst gar nicht über den
Gesetzentwurf, sondern zunächst allein über die
Deckungsmöglichkeiten. Wird auch das Plenum nicht fündig,
so ist der Gesetzentwurf als unbezahlbar erledigt.
Gesetze, welche die geplanten Ausgaben steigern oder neue Ausgaben
unmittelbar oder später nach sich ziehen, bedürfen stets
der Zustimmung der Bundesregierung. Das Gleiche gilt für
Einnahmeminderungen. Die Entwürfe solcher Gesetze dürfen
erst behandelt werden, wenn die Bundesregierung Stellung genommen
hat. Lässt diese auf sich warten, so muss sich der Bundestag
sechs Wochen lang gedulden, bis er das Thema auf seine Tagesordnung
setzen darf. Die Bundesregierung kann bei einschlägigen
Gesetzen aber auch verlangen, dass das Parlament von neuem
beschließt - damit ist das Gesetz an den federführenden
Ausschuss und an den Haushaltsausschuss zurücküberwiesen.
Sogar die Zuleitung des Gesetzes vom Bundestag an den Bundesrat ist
damit rückgängig gemacht.