Er war mit seiner über 14-jährigen Amtszeit der am längsten amtierende Bundestagspräsident der Bundesrepublik. Eugen Gerstenmaier bekleidete das zweithöchste Amt im Staat zwischen 1954 und 1969 und erlebte drei Kanzler von Konrad Adenauer und Ludwig Erhard bis Kurt Georg Kiesinger. Der Bundestag verdankte seinem dritten Präsidenten nicht nur das als "Langer Eugen" bekannte Abgeordnetenhochhaus in Bonn, sondern damit verbunden auch angemessene Tagungs- und Arbeitsbedingungen sowie entscheidende Neuerungen der parlamentarischen Praxis. So führte Gerstenmaier die Aktuelle Stunde und die Fragestunde ein. Allen in- und ausländischen Gegenstimmen zum Trotz berief er zwischen 1955 und 1965 Plenarsitzungen im Reichstagsgebäude ein, um Berlin als Tagungsort des Parlamentes aufzuwerten.
Der evangelische Theologe wurde am 25. August 1906 in Kirchheim unter Teck in Baden-Württemberg geboren. Nach einer kaufmännischen Ausbildung holte er das Abitur nach und studierte Theologie. Ab 1936 war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Kirchlichen Außenamt der Deutschen evangelischen Kirche tätig. Während des NS-Regimes gehörte er dem "Kreisauer Kreis" an, einem Zentrum des bürgerlichen Widerstands. Nach dem gescheiterten Attentat vom 20. Juli 1944 auf Hitler wurde Gerstenmaier verhaftet und vom Volksgerichtshof zu sieben Jahren Zuchthaus verurteilt. Seine Strafe nannte er später "unverständlich milde", viele der als Mitwisser Verdächtigten wurden zum Tode verurteilt. 1945 befreiten ihn amerikanische Soldaten aus dessen Haft.
Nach dem Krieg gehörte er zu den Mitbegründern des Hilfswerkes der "Evangelischen Kirchen Deutschlands" und trat 1949 der CDU bei. Im selben Jahr wurde er Abgeordneter für den Bundestag für den Wahlkreis Backnang-Schwäbisch-Hall. Nach dem Tode von Hermann Ehlers 1954 wählte ihn das Parlament zum Bundestagspräsidenten. Dreimal wurde er insgesamt in dieses Amt gewählt.
Gerstenmaier galt als politisch eigenständiger Kopf, der das Ansehen des Bundestages mit gefestigt hatte. Gerstenmaier starb 1986.