Öffentliche Anhörung des Rechtsausschusses
Unterschiedlich fielen die Meinungen zum Thema so genannter Scheinvaterschaften bei der öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses am Mittwoch, dem 23. Mai 2007, aus. Die Bundesregierung sieht in einem Gesetzentwurf ( 16/3291) vor, dass Behörden das Recht bekommen sollen, Gerichte anzurufen, wenn sie den Verdacht haben, dass ein deutscher Mann lediglich formal die Vaterschaft für ein Kind übernommen hat, um die Mutter vor der Ausweisung zu bewahren. Es ist anzunehmen, dass der Mann im Gegenzug eine oft beträchtliche Geldsumme kassiert. Eine Unterhaltspflicht besteht zumeist aber nicht, weil er auf Sozialhilfe angewiesen ist.
Kein Generalverdacht für Migranten - mehrere Prüfungsphasen sollen Missbrauch vorbeugen
Berthold Gaaz, ehemals Leitender Ministerialrat aus Celle, hob hervor, der Gesetzentwurf werde der "sensiblen Thematik" durchaus gerecht. Die Befürchtung, eine ganze Personengruppe mit Migrationshintergrund gerate unter "Generalverdacht", schien ihm übertrieben. Das vorgeschlagene Verfahren, das mehrere Prüfungsphasen vorsehe, bevor das Familiengericht mit einer behördlichen Vaterschaftsanfechtung befasst werde, müsse eher als "vorsichtig-zurückhaltend" angesehen werden. Gaaz räumte ein, es bestünden "Unsicherheiten", wenn es darum gehe, die familiären Beziehungen des Vaters zu dem Kind zu überprüfen. Wolle man dem Missbrauch überhaupt entgegentreten, müssten solche Unsicherheiten einkalkuliert werden.
Wahrheitswidrige Vaterschaften seien ein "erhebliches Problem"
Klaus Heinz, Leiter des Fachdienstes Aufenthaltsrecht und Integration des Märkischen Kreises, berichtete, es gebe konkrete Anhaltspunkte dafür, dass Vaterschaftsanerkennungen unter Umgehung des Rechts instrumentalisiert würden, um ausländischen Bürgern ein Aufenthalts- und Bleiberecht in Deutschland zu verschaffen. Solche Vaterschaftsanerkennungen seien nicht das Ziel der Kindschaftsrechtsreform von 1993 gewesen. Nun werde endlich dem Missbrauch der Vaterschaftsanerkennung ein Riegel vorgeschoben: Mit dem Anfechtungsrecht einer Behörde über das Abstammungsrecht werde eine solche Möglichkeit geschaffen. Professor Tobias Helms von der Universität Marburg sprach von einer "ausgewogenen Lösung". Es könne nicht "ernsthaft bezweifelt werden", dass die Abgabe wahrheitswidriger Vaterschaftsanerkennungen, etwa zu dem Zweck, dass die Mutter eine Aufenthaltsgenehmigung bekomme, ein "erhebliches Problem" darstelle. Das beschränke sich keineswegs auf Einzelfälle: Gespräche mit den Leitern verschiedener Standesämter bestätigten, dass der Verdacht, jemand habe eine "Scheinvaterschaft" übernommen, in den betreffenden Behörden in den letzten Jahren immer wieder im Raum stand.
Mit Kanonen auf Spatzen schießen - gravierender Eingriff in Grundrechte der Betroffenen
Thomas Meysen vom Deutschen Institut für Jugendhilfe und Familienrecht e.V. meinte, das ausländerrechtliche Anliegen des Entwurfs sei zwar zu unterstützen. Durch die Verzahnung mit dem Familienrecht ergebe sich jedoch eine "hoch problematische" Gemengelage. Mit dem vorliegenden Entwurf werden in äußerst gravierender Weise in Grundrechte der Beteiligten eingegriffen. Angesichts der Tatsache, dass "missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung" bundesweit betrachtet sehr geringfügig sei, erscheine ihm die Verhältnismäßigkeit nicht immer gewährleistet. Im Übrigen würden die Ausländerbehörden "einen Fuß in die Tür" nicht nur der Jugendämter bekommen. Günter Piening, Beauftragter des Berliner Senats für Integration und Migration, sagte, der Gesetzgeber schieße "mit einer ziemlich großen Kanone auf ziemlich kleine Spatzen". Ihm "mache es Angst", wenn im Entwurf davon die Rede sei, dass die vorhandenen Zahlen zwar nicht belegen könnten, in wie vielen Fällen es sich tatsächlich um missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen handele.
Umsetzung des Gesetzentwurfs nicht ratsam
Auf diesen Umstand verwies auch Rechtsanwalt Dirk Siegfried. Seiner Ansicht nach bleibt damit der gesetzgeberische Handlungsbedarf vollkommen ungeklärt. Er riet deshalb dringend von der Umsetzung des Gesetzentwurfes ab. Auch Rechtsanwalt Hubert Heinhold meinte, die Bundesregierung könne kein empirisches Material vorlegen, das einen gesetzlichen Änderungsbedarf überzeugend begründe. Die realen Missbrauchsfälle machten einen Bruchteil von den genannten rund 2.000 Fällen pro Jahr aus. Diesen geringen Fällen gegenüberzustellen sei die weitreichende Wirkung des Eingriffes in den Schutz der Ehe und Familie und des Kindeswohls.
Ähnlich äußerte sich Hiltrud Stöcker-Zafari vom Verband binationaler Familien und Partnerschaften. Sie befürchtete, dass einem Generalverdacht binationaler Paare Vorschub geleistet werde und dass das Kindeswohl zu wenig Berücksichtigung fände. Bereits in der Vergangenheit habe ihr Verband die Notwendigkeit bezweifelt, eine gesetzliche Regelung zu schaffen, um missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung zu unterbinden. Er sehe sich nach wie vor in dieser Haltung bestätigt. Sie greife außerdem stark in die Eltern-Kind-Beziehung ein, so Stöcker-Zafari.