Öffentliche Anhörung des Rechtsausschusses
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Klärung der Vaterschaft ( 16/6561) sehe keinerlei Qualitätsstandards für das Verfahren vor. Dieser Meinung waren mehrere Experten bei der Anhörung des Rechtsausschusses am Mittwochnachmittag. So meinte Professor Marion Albers von der Universität Augsburg, das Verfahren sei vollkommen ungeregelt. So sei beispielsweise unklar, was mit der Probe passiere, wenn die Untersuchung abgeschlossen sei. Und Angelika Nake, Fachanwältin für Familienrecht aus Memmingen, war ebenfalls der Ansicht, es sei unverzichtbar, dass eine gesetzliche Regelung sicherstelle, dass nur die zur Klärung der Vaterschaft notwendigen Proben entnommen würden und nur diese Untersuchungen vorgenommen würden. Weiterhin fehlten Regelungen zu Aufbewahrung und Vernichtung der Proben.
Horst-Heiner Rotax, Richter am Amtsgericht Hamburg, war der Überzeugung, dass es nicht übersehen werden dürfe, dass die eingesparten Kosten sehr schnell zu höheren Aufwendungen an anderer Stellen führen können: Wenn man keinerlei Qualitätsvorgaben für die genetischen Untersuchungen mache, dann nehme man in Kauf, dass in dem sich möglicherweise anschließenden Verfahren auf Klärung der Vaterschaft höhere Kosten auf die Staatskassen zukämen, weil das privat eingeholte Sachverständigengutachten gerichtlich wegen Qualitätsmängeln nicht verwertbar sei.
Vaterschaftstests zum Wohle des Kindes geheimhalten
Frauke Brosius-Gersdorf von der Universität Potsdam wies auf einen anderen Aspekt hin: Nur heimlich eingeholte Vaterschaftstests garantierten ihrer Meinung nach, dass das Aufwachsen des Kindes in den gewohnten familiären Beziehungen nicht gefährdet werde. Die Offenlegung der Zweifel des Vaters könne bei dem Kind Angst- und Verlustgefühle wecken und damit die Entwicklung seiner Persönlichkeit "erheblich gefährden". Außerdem berge das Verfahren erhebliche Gefahren für den Fortbestand der Ehe und Familie in sich. Bereits die Offenbarung des Zweifels des Vaters genüge häufig, um das Vertrauensverhältnis zwischen den Eheleuten oder Partnern zu zerrütten und damit den Fortbestand der Ehe und Familie in Frage zu stellen.
Professor Tobias Helms von der Universität Marburg machte deutlich, anders als dem Vater, dessen Recht auf Feststellung in dem Entwurf geregelt werde, sei dem Kind aber in den Fällen nicht geholfen, in denen es herausfinden möchte, wer wirklich sein leiblicher Vater ist. Diese Kenntnis könne sich das Kind - wie schon bisher - nur durch eine Klage auf Feststellung der Vaterschaft verschaffen. Die Lösung ist nach Helms' Meinung unzureichend: Dies zeige sich dann, wenn das Kind einen rechtlichen Vater habe, dessen Vaterschaft es nicht anfechten möchte, obwohl die Nichtvaterschaft mit Hilfe des neuen Klärungsverfahrens bereits aufgedeckt worden sei oder für alle Beteiligten ohnehin feststehe (beispielsweise durch Zeugungsunfähigkeit des betreffenden Mannes). Helms war der Ansicht, es könne ja wohl nicht sein, dass es einem Kind in einem solchen Fall zugemutet würde, die Vaterschaft anfechten zu müssen - mit allen damit verbundenen rechtlichen Konsequenzen -, nur um klären zu können, wer sein leiblicher Vater ist.
Der vorlegte Entwurf der Regierung enthält nach Ansicht von Thomas Meysen vom Deutschen Institut für Jugendhilfe und Familienrecht e.v. aus Heidelberg eine konsequente Umsetzung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Die Konzeption erscheine ihm "schlüssig und in sich stimmig". Der Entwurf bringe die Interessen der verschiedenen Beteiligten "ganz überwiegend" zu einem angemessenen Ausgleich. Nachbesserung seien jedoch erforderlich: Das völlige Fehlen einer Voraussetzung für die Vaterschaftsklärung übersehe, dass mit einem solchen Test auch eine Belastung durch den potenziell drohenden Vaterverlust und ein tief greifender Vertrauensbruch für das Kind - gerade bei Trennungen der Ehepartner - verbunden sei. Dem Antragsteller solle daher auferlegt werden, vor dem Familiengericht seine Zweifel darzulegen.